Nach dem Internet der Dinge (engl. Internet of Things, IoT) kommt jetzt das Internet der Emotionen (IoE).
Auf der Apple Entwicklerkonferenz WWDC in San Francisco, Kalifornien, wurde 2016 der neue Emoticons-Dienst für Kurznachrichten vorgestellt: In einer Kurznachricht werden alle Worte markiert, die man auch kürzer durch ein Emoticon hätte darstellen können. Der Sprecher kündigte sogleich an, dass ein Effekt diese neuen Dienstes sein werde, dass eine Generation später die Jugendlichen, die daran gewöhnt sind, der englischen Sprache noch weniger mächtig sind und ihre Systematik gar nicht mehr verstehen. Sie werden nicht mehr verstehen, warum man sich so viel Mühe mit Struktur und Grammatik gegeben hat, wenn doch das wichtigste zu transferierende die Emotionen sind.
Das WWW hat Tim Berners-Lee erfunden mit dem Gedanken der Vernetzung aller Physiker-Dokumente weltweit. Durch seinen riesigen Erfolg ist das WWW weit mehr geworden als das: Heute ist es das Instrument zur Vernetzung der Gedanken schlechthin. Hier ist der erste und wichtigste Ort, wo Informationen gesucht, gefunden, ausgetauscht, gefiltert, kommentiert, abstrahiert und im Remix verwurstet werden, wo Meme entstehen, sich verbreiten und durchsetzen – und das gleich mit globalem Maßstab. Während in den 1980-er Jahren noch „Vernetztes Denken“ (vgl. gleichnamiges Buch von Frederic Vester) ein hehres Ziel und fernes Ideal war, dem man sich immer nur annähern, aber nie richtig erreichen könne, so ist es heute mit dem Internet normaler, profaner, gelebter Alltag geworden. Vernetzung ist heute gelebte Selbstverständlichkeit. Jeder ist vernetzt. So vernetzt, dass er schon anfängt, die Welt direkt hautnah um sich herum zu vergessen.
Wenn nun aus dem Internet der Gedanken ein Internet der Emotionen wird, so hat das erneut tiefgreifende Folgen für das Weltgeschehen. Menschen handeln aus ihren Emotionen heraus, nicht aus klugen Überlegungen. Daher sind Emotionen ein stärkerer Motor für Handlungsinduktionen als noch so überzeugende Gedanken. Emotionen sind archaischer und fühlen sich realer an: „Wenn ich das fühle, dann muss es doch real sein.“ Emotionen rechtfertigen Handlungen, egal wie irrational sie sind. Auch Irrationalismus ist wieder auf dem Vormarsch. Das erleben wir gerade beim Brexit, bei den US-Wahlen und täglich in den Nachrichten. Zahlreiche Geschehen kann niemand mehr rational erklären. Die Journalisten ergehen sich in Mutmaßungen. Die Zivilisation erlebt offenbar einen derben Rückschlag, bis erneute Katastrophen zur Besinnung rufen?
Auch dafür muss Bildung stehen: Zur Besinnung zu kommen, ohne dafür Katastrophen durchlebt haben zu müssen. Katastrophen gab es genug und gibt es heute noch genug, um daraus zu lernen. An Lernmaterial ist kein Mangel. Heute im Zeitalter des Internet erst recht nicht.