Reifemodell

Die Erwartungen der Arbeitgeber an Absolventen einer Hochschule ändern sich. Es werden nicht nur Studierte erwartet, die das Fachwissen erlernt haben, sondern auch reife Menschen, die nicht mehr diese Anfängerfehler machen. Hochschule wird damit zu einem Ort der Menschenreifung – und seit Bologna im Turbo-Tempo („Turbo-Reifung„). In 6 Semestern sollen aus unreifen Jugendlichen reife Erwachsene werden, die mit ihren Arbeitskollegen und vor allem den Kunden zurecht kommen. Also brauchen Hochschulen jetzt ein Reifemodell für Studierende, aus dem hervorgeht, welche Reife gemeint ist und wie Stufen von Unreife zur Reife aussehen könnten. Was hat das mit Wissensgesellschaft oder Kompetenzorientierung zu tun? Nichts! Reife ist eine andere Dimension.

Das sind also die drei wesentlichen Dimensionen der Bildung: Wissen, Kompetenzen und Reife.

Reife entsteht nicht einfach mit dem Alter und Erfahrungswissen. Dazu gehört mehr. Es gibt Chancen, mit dem Alter reifer zu werden. Eine Garantie gibt es jedoch nicht.

Was bedeutet das für den Lehr- und Lernbetrieb einer Hochschule im Unterschied zur Schule? Frank Berzbach schreibt dazu in der FAZ am 15.6.2011: „Im Unterschied zur Schule folgt die Universität der Idee, dass Lehrende und Lernende eine Gemeinschaft Erwachsener bilden, die zusammen eine Thema befragen und erschließen. Der Orientierungsüberschuss der Lehrenden bezieht sich auf das Fachwissen oder Feldkenntnisse und weniger auf weniger auf die entwicklungspsychologische Reife. Wissens- und nicht Rollenhierarchien sind Kennzeichen der Universität. Bestenfalls arbeitet man auf Augenhöhe und etabliert eine Kultur gemeinsamen ‚forschenden Lernens‘. “ Der Erziehungsauftrag gehörte bisher definitiv nicht dazu.

Gunter Dueck teilt in einer seiner Typisierungen die Menschen ganz grob in ordentliche und kreative ein. Bisher habe Schule die ordentlichen Menschen einseitig bevorzugt und die kreativen unterdrückt bzw. diese auch zu ordentlichen Menschen erziehen wollen. Das hat nicht immer geklappt. Kreative, die so tun, als ob sie ordentliche wären, sind eben nur halb so gute ordentliche Menschen wie die richtig ordentlichen. An den Schulnoten gemessen sind sie nur halb so viel wert. Aber wie viel wert sind Schulnoten? Immer mehr Personaler stellen fest, dass sie die Falschen rekrutieren, wenn sie nur nach Noten gehen. Irgendwas scheint doch da schief zu laufen.

Unreife kreative Egoisten wollen nur ihren Spaß haben, können sich nicht einordnen und sehen keinen Sinn in Ordnung. Ordnung ist der Feind für unreife Kreative.

Unreife Ordnungshüter sehen die Macht der Ordnung, können alles darin einordnen und der Ordnung unterordnen. Für sie gibt es eigentlich nichts anderes als Ordnung. Kreative sind die Feinde des Ordnungsliebenden.

Erst auf einer reiferen Stufe sehen Kreative in Ordnung einen Sinn und umgekehrt Ordnungshüter in Kreativität einen Gewinn.

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