Lebendige Balance

Was ist das höchste Prinzip,
das man jungen Informatikern mit auf den Weg geben kann?
Ist es die lebendige Balance?

In der Informatik ist Balance eine hohe Kunst,
die lebendige Balance zwischen

  • Theorie und Praxis
  • Verstehen und Handeln
  • Lernen und Anwenden
  • Flexibilität und Systematik.

Das Handeln des Informatikers besteht z.B. in der Programmierung einer App.
Dazu muss sie/er programmieren können,
die Programmiersprache verstehen,
die Frameworks, Libraries und APIs kennen
und anwenden.
Das reicht aber nicht:
Die Funktionalität der App, ihr Aussehen und ihre nicht-funktionalen Eigenschaften
werden aus einem größeren Kontext abgeleitet,
bewusst oder auch unbewusst,
als bewusste Entscheidung oder spontan oder als kulturelle Gegebenheit.

Die Konstruktion folgt größeren Bauplänen.
Diese werden häufig als UML-Diagramme dargestellt.
Verstehen erfolgt häufig entlang einer Graphen-Struktur.
Die Dinge sind hochgradig vernetzt.
Also bedient man sich der Netzwerke als Darstellungsform.
Semantische Netze sollen Bedeutung darstellen können.
Elektrische Schaltpläne sagen einen Elektroingenieur mehr
als 100 Seiten textuelle Beschreibung.
Das Bild sagt mehr als tausend Worte.

Wie hilft uns das beim Verstehen?
Sind UML-Diagramme etwa nur 1-zu-1-Abbildungen einer Programmstruktur?
Können wir damit eine Theorie über die Wirkung einer App bauen?
Können wir damit die persönliche, psychologische,
ganzheitliche, systemische,
betriebs- und volkswirtschaftliche Bedeutung verstehen?

Offensichtlich Nein:
Irgendwo auf der Welt programmiert ein Informatiker eine App
und auf der anderen Seite des Planeten
brechen Millionen-schwere Unternehmen zusammen.
Das kennt man doch aus der Chaos-Theorie:
In China fällt ein Sack Reis um
und in Europa ändert sich das Wetter.
Nur dass die App wesentlich wirkmächtiger ist als der Sack Reis
und nicht das Wetter ändert,
sondern ganze Denk-, Handel-, Wirtschaftsformen vernichtet und andere neu erfindet.

Kann man Wirkungen vorhersagen?
Auf kleinteiliger Micro-Ebene in der Meteorologie ebenso wenig wie in der Informatik.
Auf Makro-Ebene geht das schon besser.
Man kann grob vorher sagen, was kommen wird,
aber nicht welche App und welches Unternehmen.

Hilft Chaos-Theorie wirklich beim Verstehen?
Ist sie nicht vielmehr eine Kapitulation vor den Grenzen der Theorie-Bildbarkeit?
Oder erreicht man eine neue Art des Verstehens auf einer anderen Ebene,
einer Makro-Ebene?

Informatik ist derzeit einer der wirkmächtigsten Berufe.
Die Informatiker ändern mit ihrem Handeln
unseren Alltag, die Wissenschaften, das Weltgeschehen und die Menschen selbst,
haben jedoch noch keine brauchbare Theorie dafür.
Wir fliegen schnell, immer schneller, aber im Blindflug.

Die andere Wissenschaften liefern ebenfalls bisher keine ausreichenden Theorien.
Die Degradierung der Informatik zur bloßen Technik
beraubt sie der Chance einer eigenen fachspezifischen Wirkungstheorie.

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