Filter Bubble

Filter Bubble ist ein neuer Begriff in der Web 2.0-Szene und meint die Wahrnehmungsblase, die durch Wahrnehmungsfilter erzeugt wird: Wir nehmen nur wahr, was unsere Filter zu uns durchlassen. Das führt zu einer Reduktion der Wahrnehmung.

Die Erkenntnis dieser Reduktion als kognitives Naturgesetz ist ein wesentlicher Grundstein der soziologischen Theorie von Niklas Luhmann. Die Soziologie kommt ins Spiel, weil der Mechanismus nicht nur individuell wirkt, sondern auch kollektiv. Luhmann fragt: „Was ist Gesellschaft?“ und antwortet: „Gesellschaft ist ein Codex von Regeln zur Wahrnehmungsreduktion.“ Gesellschaft ist also bereits eine kollektive Filter Bubble. Dazu brauchte es kein Web 2.0. Web 2.0 kann jedoch ein Verstärker dieses Reduktionsmechanismus sein. Was sind die Konsequenzen?

 

 

Eli Pariser zeigt in seinem TED-Talk, dass die Personalisierungsalgorithmen von Facebook, Google und Yahoo zu einer Verstärkung der Filter Bubble führen und sieht darin eine wesentliche Gefährdung unserer Demokratie, die davon lebt, dass wir sowohl Meinung als auch Gegenmeinung wahrnehmen. Darauf nimmt die Süddeutsche Bezug unter dem Titel „Welt ohne Gegenmeinung – Wie Google und Co. uns andere Standpunkte vorenthalten“. Google, Facebook und Co. werden als die Ursache der Wahrnehmungsreduktion gesehen.

Die Frage bleibt allerdings, was die Wurzel-Ursache ist: (a) die individuelle Selbstbestätigungsvorliebe des bestätigt werden wollenden „Durchschnittsusers“ und die kollektive Voreingenommenheit der bestätigt werden wollenden Gesellschaft oder (b) Facebook, Google und Co., die diese Vorliebe auch noch bedienen, anstatt ihr erzieherisch entgegen zu wirken. Haben Facebook, Google und Co. denn einen Erziehungsauftrag? In erster Linie handelt es sich doch um einen Geschäftsauftrag, den man umso besser erfüllt, je mehr man die Vorlieben der Kunden befriedigt. Die ökonomischen Interessen stehen an erster Stelle. Der Aufschrei der Google-, Facebook- und Co-Gegner wäre wahrscheinlich noch sehr viel größer, wenn sie einen erzieherischen Auftrag hinter Google, Facebook und Co entlarven könnten.

Wenn die Süddeutsche schreibt, dass es um eine digitale Ökologiebewegung gehe, in der Internet-Nutzer Bürger und nicht Kunden oder Konsumenten sind, so steht dieser Aufruf in einer Reihe mit Gunter Duecks Abschied vom Home oeconomicus. Gunter Dueck geht jedoch darüber hinaus. Er fordert den Abschied generell.

Wenn die Google-, Facebook- und Co-Kritiker die Notwendigkeit zum Abschied von der Dominanz des ökonomischen Dogmas nur in der Internet-Welt sehen, jedoch nicht in ihrer eigenen, so zeigt dies eine einseitige Blindheit. Die Selbstbestätigungsvorliebe der Technikfeindlichen sieht das Feindliche nur in der Technik.

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