Bologna-Stress

Soeben flattert mir die Broschüre „Rückenwind: Was Studis gegen Stress tun können“ des Karlsruhers Institut für Technologie (KIT) auf den Schreibtisch (zum Download hier): In der Zeit „nach Bologna“ hat sich der Stress für Studierende deutlich erhöht. Sowohl die Studienabbruchquoten als auch das Volumen der an Studierende verordnete Antidepressiva sind signifikant gestiegen. Daher wird die Broschüre „Rückenwind“ empfohlen, die zeigt, wie mit den Anforderungen des Studiums gesund und produktiv umgegangen werden kann.

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Zusätzlich empfehle ich ein genaueres Eingehen auf die Frage „Mache ich wirklich das, was ich wirklich tun will?“. Falls die eigenen Antworten auf diese Frage zu banal sind („Jetzt würde ich lieber Schokolade essen…“) kann man es auch mit der Frage „Machen wir wirklich das, was wir wirklich tun wollen?“ versuchen, wobei „wir“ verschiedene Bedeutungen annehmen kann: meine Lerngruppe, meine Hochschule, „die Gesellschaft“ oder gar „die Menschheit“. Die Arbeitswelt verlangt nach mehr kompetenten Führungskräften, die kompetent führen können, weil ihr Wille einen gewissen Reifegrad hat. Das Bildungssystem soll möglichst viele solcher reifen Persönlichkeiten ausspucken. Dabei wird während der gesamten Bildungszeitspanne höchst selten danach gefragt, was der Auszubildende, der Schüler, der Student eigentlich will. Damit wird dieses wesentliche Bildungsziel der Freizeit überlassen.

Außerdem empfinde ich die Lektüre von Gunter Duecks Omnisophie als sehr hilfreich, z.B.

Hilfreich finde ich auch das Konzept der „Neurotisierenden Optimierung“ aus Gunter Duecks Kolumne „DUECK-BETA-INSIDE“ im Informatik-Spektrum, Volume 34, Number 2, 214-219. Der Artikel beginnt mit den Sätzen „Wer andere öfter ‚Hör auf damit‘ sagen hört, hat das Maß überschritten. Das Management unserer Zeit übertreibt es mit dem Gewinnstreben.“ Das entspricht dem Wort des Turing-Award-(Das ist der Nobelpreis für Informatiker)-Preisträger Alan Kay: „Don’t optimize what is in the center of your interest.“

Hinzufügen könnte man, das Bildungsmanagement übertreibt es mit der Outcome-Orientierung. Denn es unterdrückt, ignoriert oder vergisst schlicht, wie Prof. Dr. Rolf Schulmeister treffend diagnostiziert, den Lernprozess selbst und die Prozess-Orientierung als Antagonisten zur neurotisch übersteigerten Output- und Outcome-Orientierung. Dann merkt man vielleicht auch, dass das Stress-Phänomen unserer Zeit gar nicht so individualistisch ist, wie es oft dargestellt wird und auch eine kollektive und gesellschaftliche Analyse verdient: Stress ist kein persönliches Versagen, sondern entsteht auch durch Friktion, weil „wir“ individuell, kollektiv oder als Gesellschaft nicht das tun, was wir eigentlich tun sollten, ja müssten, weil es jetzt aktuelles Gebot der Stunde ist.

Zum Stress-Phänomen in Arbeitswelt siehe Financial Times Deutschland (FTD)-Artikel „Arbeitslust und -frust: Kollegen als Stressfaktoren“.

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