Vor drei Jahren hatte der Stifterverband zusammen mit der Kultusministerkonferenz (KMK) den Exzellenzwettbewerb guter Lehre ausgerufen (bei dem auch wir, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, zu den Finalisten gehörte. Unser Konzept war das einzige, das eLearning und Entwicklung neuer Online-Lernformen in den Mittelpunkt gestellt hatte). Insgesamt wurden nur 10 Millionen € ausgeschüttet, viel weniger als die vielen Milliarden für den Exzellenzwettbewerb in der Forschung, was ja auch schon etwas über den Stellenwert von Lehre und Forschung in der Hochschullandschaft aussagt. Dennoch wird der Exzellenzwettbewerb guter Lehre von allen Seiten (auch von meiner Seite) gelobt. Obwohl nur klein, so hatte er doch große Strahlkraft. 60% der Unis und 42% der Fachhochschulen hatten sich an dem Wettbewerb beteiligt. Konzepte, die nicht zu den Preisträgern gehörten, wurden aus eigenen Mitteln zum Teil dennoch ins Leben gerufen. Ein schöner Gewinn für die Lehrqualität.
In der Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Andreas Schlüter vom Stifterverband, Prof. Dr. Sagerer (Informatiker und Rektor der Uni Bielefeld), dem ersten Ars Legendi Preisträger Prof. Dr. Putz, uvam. sollte nach 3 Jahren Exzellenzwettbewerb guter Lehre Bilanz gezogen werden. Auf das Podium waren nur Unis eingeladen worden, keine FHs. Der ehemalige Kanzler der Uni Mannheim und ehemalige Generalsekretär der HRK, Dr. Winfried Benz, monierte diesen Punkt später in einem Plenumsbeitrag und sagte zum Bologna-Prozess und zur Qualität der Lehre: „Da sind die Fachhochschulen schon viel weiter.“ Ausgerechnet der erste Ars Legendi-Preisträger Prof. Putz stellte die Forschung in den Mittelpunkt der Universitäten. Das sei ihre Kernaufgabe. Es gehe hauptsächlich um die Produktion des wissenschaftlichen Nachwuchs für den Wissenschaftsbetrieb. So seien Unis entstanden. Nur weil Staat und Gesellschaft von Unis mit profitieren und viele intelligente Köpfe abschöpfen wollen, seien die anderen Aufgaben hinzu gekommen. Das erzeugte viel Aufruhr im Plenum.
Hier einige Highlights des Podiums:
Sagerer: Der Exzellenzwettbewerb ist ein Anreizsystem für gute Lehre. Gleichzeitig werden politische und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, die die Aufnahme der Studienanfänger massiv fördert, deren Begleitung zum Studienerfolg jedoch weiterhin chronisch unterfinanziert lässt. Das könnte man als einen Wettbewerb „Exzellentes Rausprüfen“ bezeichnen. Wollte man Hochschulen und Schulen gleich behandeln, so hätten Hochschulen heute eine Klassenstärke von 105 Schülern. Das ist heute die Uni-Situation. Von demografischen Effekten werde seit 50 Jahren geredet. Die Realität ist jedoch ein stetiger Anstieg in den Studierendenzahlen ohne den entsprechenden Anstieg in der Finanzierung. Ein Stanford-Absolvent kostet 430.000€. Ein deutscher Absolvent schlägt gerade mal mit 20.000€ zu Buche. In der Qualitätsdebatte werden diese Unterschiede verschwiegen und so getan, als ob man sich miteinander messen könne.
Wie man Qualität der Lehre messen kann, ist weiter eine offene Frage. Das sollte jedoch kein Grund sein, in seinem Bemühen um gute Lehre nachzulassen.
Forschen und Lehren gehören zusammen. Die einseitigen Anreizsysteme, die entweder nur Forschung oder nur Lehre fördern, haben die Tendenz zur Spaltung. Sagerer: Durch die Zerfaserung in Schächtelchen verlieren wir den systemischen Blick. Wow! Ich sage da nur, gut dass auch Informatiker dabei sind und an den Blick auf das Ganze und auf das System erinnern.
Die derzeitigen Umsetzungspraktiken von Bologna neigen zur Zerfaserung. Durch die vielen Modulprüfungen entstehen Zerfaserungen in viele Einseitigkeiten.
Der Begriff der Nachhaltigkeit hinterlässt bei vielen einen schlechten Geschmack. Bevorzugt wird folgende Umschreibung: Was muss man jetzt tun, um in der Zukunft zu wirken? (Irgendwie ist diese Formulierung immer noch schräg: Schließlich wirkt ja alles in die Zukunft, so oder so.)
Hinweis: Die Charta guter Lehre kann man noch bis zum 30. November 2012 mitgestalten. Dazu hat der Stifterverband eigens ein Diskussionsforum freigeschaltet unter „Forum Charta guter Lehre„.