Die Mauer

Beim Marathon-Laufen gibt es ein Phänomen,
das sich „Die Mauer“ nennt:
Bei Kilometer 37 (mehr oder weniger) läuft man gegen
diese Mauer und glaubt, aufgeben zu müssen.
Das Gefühl ist unerträglich.
Man kann nicht mehr.
Nichts scheint mehr zu gehen.

Und dennoch ist es nur ein Gefühl.
Wenn man dann nicht aufgibt,
weitermacht,
dabei bleibt,
nicht flüchtet,
nicht aufgibt,
dann geht es irgendwann doch wieder
und man kann im Rückblick
das Phänomen als rein psychisches Problem erkennen.
Obwohl sich die körperlichen Symptome so echt anfühlten,
waren sie doch nur psychisch und der Körper völlig in Ordnung.

Bildung ist eine enorme Investition
und wird daher auch ökonomisch untersucht:
Bei welchen Menschen lohnt sich Bildung wirklich?
Dazu wurde der Muffin-Test entwickelt,
der sich trotz seiner Schlichtheit
durch jahrelange Tests als signifikant erwiesen hat:
Man gebe den Probanden einen Muffin mit dem Hinweis,
dass sie einen zweiten bekommen,
wenn sie den ersten nicht anrühren.
Diejenigen Probanden, die warten können,
erweisen sich als erfolgreiche Absolventen.
Das Quäntchen Selbstdisziplin scheint den Unterschied auszumachen.

Dieses Phänomen wird oft beschrieben mit
„den inneren Schweinehund bekämpfen“.
Die Menschen, die sich mit diesem Bild identifizieren,
sind jedoch keine friedlichen Menschen,
denn sie sind verstrickt in einen inneren Kampf,
eine innere Zerissenheit
zwischen moralischem Anspruch und dem gewohntem Phlegma,
die keinen grundlegenden Frieden zulässt.
Da ist der ständige innere Dialog zwischen
„ich sollte“, „ich müsste“ auf der einen Seite und „ich will aber nicht“
oder „ich habe keine Lust“
oder einfach „Jetzt nicht“ auf der anderen Seite
Im Erfinden von Ausnahmen sind wir dann sehr erfinderisch.
Dieses Phänomen erlebt gerade unter dem Schlagwort
Prokrastination“ große Aufmerksamkeit.
Dazu Wikipedia: „Aufschieben, auch Prokrastination (lateinisch procrastinatio ‚Vertagung‘, Zusammensetzung aus pro ‚für‘ und cras ‚morgen‘), Erledigungsblockade, Aufschiebeverhalten, Erregungsaufschiebung, Handlungsaufschub oder Bummelei (im Volksmund auch Aufschieberei oder Aufschieberitis), ist das Verhalten, als notwendig, aber unangenehm empfundene Arbeiten immer wieder zu verschieben, anstatt sie zu erledigen. Aufschieben gilt als schlechte Arbeitsgewohnheit. Drei Kriterien müssen erfüllt sein, damit ein Verhalten als Prokrastination eingestuft werden kann: Kontraproduktivität, mangelnde Notwendigkeit und Verzögerung.“

Geht das: Selbstdisziplin UND gleichzeitig grundlegenden Frieden?

Beim Lernen von Skilanglauf habe ich
als Anfänger einen Hügel gehabt,
bei dem ich immer wieder gestürzt bin.
Die Schwierigkeit, an der ich immer wieder gescheitert bin,
fühlte sich an wie eine Mauer.
Anstatt mir eine einfachere Strecke zu suchen,
bin ich genau diesen Hügel immer wieder angestiegen
und abgefahren, bis die Abfahrt kein Problem mehr wahr.
Das Lern-Phänomen fühlte sich an wie das Umlegen eines Schalters:
Ich hatte verstanden, was man mit den Skiern machen musste,
wenn eine Spurrille die Skier in die falsche Richtung lenkte
und den Sturz verursachte.
Ohne meine Beharrlichkeit hätte sich diese Erkenntnis nie eingestellt
und ich wäre mein Leben lang immer nur einfachere Loipen gefahren.
Ich hätte mir eingeredet,
dass ich Loipen nur bis zu einem gewissen Schwierigkeitsgrad
fahren könne.

Das zu frühe Begnügen mit der zu kleinen Kompetenz
verhindert Weiterlernen und blockiert den Weg zur Meisterschaft.

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