„Ohne Worte“ sind Karikaturen beschriftet und wir verstehen sie sofort. Die darauf abgebildete Systemik wird sofort ohne Worte verstanden, verzögerungslos, unmittelbar, offenbar mit einem Schlag.
Über „Am Anfang war das Wort.“ kommen wir zu der Erkenntnis „Am Anfang war die Systemik.“ Wir werden alle in Systemiken hinein geboren, die uns keiner mit Worten erklärt. Kollektiv gibt es eine Systemik der Generationen, die wir leben, die uns aber keiner erklärt.
In der Informatik wurden Graphen als Abstraktion von textuellen Darstellungen sehr gefeiert. Ein Graph sagt mehr als tausend Worte. Der selbe Graph kann auf tausend verschiedene Weisen textuell dargestellt werden. Es handelt sich also um ein anderes Abstraktionsniveau, dass die Verschiedenartigkeit von textuellen Formulierungen wegabstrahiert.
Wenn man Niklas Luhmann im Original liest, bekommt man einen tiefen Einblick in systemisches Denken. Wenn man dagegen Sekundärliteratur über Systemik liest, erscheint diese Art des Denkens verwässert. Offenbar gehört systemisches Denken zu einem höheren Kompetenzniveau, das nicht allen Menschen zugänglich ist. Systemisches Denken ist absolut notwendig in unserer Zeit. Dazu muss das Kompetenzniveau gewaltig erhöht werden.
Warum ist Kompetenzorientierung eine Hype? An die nächsten Generationen wird viel Ungelöstes weitergegeben mit dem Impuls zur Transzendenz „Löst ihr für uns, was wir nicht zu lösen imstande waren.“, ohne es mit Worten zu explizieren. Niklas Luhmann weist darauf hin, dass das Verständnis von Bildung als Transferleistung von Gewusstem und Gekonntem an die nächste Generation irreführend ist: Wenn die alte Generation mit diesem Gewussten und Gekonnten gescheitert ist, braucht die nächste Generation offenbar weiter gehende Kompetenzen, um ihren Auftrag erfüllen zu können.
Damit tut sich der Zielkonflikt zwischen Treue und Transzendenz auf: Treue zur alten Systemik steht im Zielkonflikt zur Überschreitung der alten Systemik mit ihren Rollen, Zielen, Werten, Idealen, Glaubensvorstellungen, Gewussten und Gekonnten und Dynamiken. Für die Transzendenz sind weitergehende Kompetenzen notwendig, über die die alte Generation nicht ausreichend verfügte, sonst hätte sie die anstehenden Probleme ja selber lösen können, anstatt sie an die nächste Generation weiter zu reichen. Wenn die alte Generation nur ihre alten Ideale hochhält und Treue einklagt oder gar erpresst, steht sie nicht zu ihrer Verantwortung für ihr eigenes Scheitern.
Einstein brachte es treffend auf den Punkt: „Die wichtigen Probleme können nicht mit der gleichen Art des Denkens gelöst werden, mit der sie erzeugt wurden. („The significant problems we face cannot be solved by the same level of thinking that created them.„)“ Daher muss der nächsten Generation auch erlaubt sein, anders zu denken, auch wenn es der alten Generation fremd vorkommt.
Jeder junge Mensch ist eine neue Chance. Mit einer jungen, frischen Sicht auf die Dinge ergeben sich auch neue Lösungsmöglichkeiten. Hochschule wird dann nicht mehr als Stätte für Bildungstransfer (Nürnberger Trichter) gesehen, sondern als Sprungbrett für neues, eigenes Denken und neue Lösungsansätze, wie sie keine Generation vorher zu denken imstande war.
Ralph Waldo Emerson: „Imitation is Suicide. Insist on yourself; never imitate.“