Anwendungsorientierung erfordert neue didaktische Modelle

Fachhochschulen sind an der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse orientiert.
Diese Anwendungsorientierung erfordert neue didaktische Modelle.

Das klassische universitäre Didaktik-Modell ist Vorlesung – Übung:
Zunächst wird in der Vorlesung die Theorie in neue Köpfe gepumpt.
Dann wird in den anschließenden Übungen die Theorie an Beispielen angewendet.
Also zuerst die Konzepte, dann die Praxis.

Lernen geht in diesem didaktischen Modell immer über den Flaschenhals der Rationalität.
Alles muss erst sorgfältig durchdacht werden, bevor es angewendet werden kann.
Dieser Ansatz hat viele Probleme:
Zunächst die Mühsal und Langsamkeit durch den Flaschenhals der Rationalität.
Dann die Praxisferne: In der Vorlesung kenne ich die Praxis noch nicht.
Daher kann ich mit den Konzepten noch nichts Praktisches verbinden.
Die Konzepte bleiben zunächst hohl, leer, nichtssagend.
Wenn ich Glück habe, erkenne ich in der praktischen Übung,
was in der Vorlesung tatsächlich gemeint war.

Lerntrainer wie Vera Birkenbihl machen seit Jahrzehnten darauf aufmerksam,
dass diese Art des Lernens langsam und mühsam ist,
weil alles durch den Flaschenhals des linearen Denkens gehen muss.
Es geht auch besser: Superlearning!

Beim Superlearning umgeht man den Flaschenhals des linearen Denkens
und trainiert direkt das Unterbewusstsein, das zu einer höheren Parallelverarbeitung
befähigt ist als die lineare Rationalität.
Außerdem ist es unser angeborenes Lernverhalten:
So lernen wir gehen, sprechen, Auto fahren, …

Superlearning macht Spaß,
hat mit Flow zu tun
und daher nach Mihály Csíkszentmihályi auch direkt mit Glück.
Warum muss Lernen mühsam sein?

Superlearning hat sich bewährt im Sprachenlernen und in der Musik:
Sprachen lernt man nicht über die Grammatik und Vokabeln
und den Flaschenhals des linearen Denkens
sondern über die Praxis der Kommunikation,
die hochgradig komplex ist und die Parallelverarbeitung unseres Unterbewusstseins benutzt.
Anstatt mühsam Musiktheorie zu lernen, nehme man eine Klaviatur mit LEDs in den Tasten,
auf die man drückt, wenn diese leuchten.
Man lernt viel schneller Klavier zu spielen,
ohne auch nur eine Note gelernt zu haben.
Das ist Lernen durch Nachmachen,
was sicherlich einen großen Teil unseren Lernens ausmacht.

Wenn man dann praktisch etwas kann,
gibt es immer noch die Gelegenheit, anschließend darüber zu theoretisieren:
Konzepte lernt man in diesem didaktischen Modell anschließend durch Reflexion.
Man reflektiert über seine Praxis und baut dazu seine eigene Theorie.
Die Theorie ist wichtig, um die Aufmerksamkeit auf die richtigen Aspekte der Praxis zu fokussieren,
damit man klarer sehen kann, was in der Komplexität der Praxis wirklich passiert.

Diese Fähigkeit der eigenen Theoriebildung ist essenziell:
So ist Wissenschaft entstanden.
Wissenschaft machen und Konzepte für die Klausur auswendig lernen
sind kognitiv zwei völlig unterschiedlich Vorgänge.

Der berühmte Informatiker Peter Naur hat einmal
die Praxis des Programmierens als theoriebildende Tätigkeit klassifiziert:
Zu den Codezeilen, die man schreibt, entwickelt sich immer eine Vorstellung davon,
warum der Algorithmus so funktioniert wie man ihn codiert hat,
wie die Software einmal funktionieren soll
und wie der Kunde die Software einmal anwenden wird.
Auch hier haben wir als entscheidenden kognitiven Vorgang
die eigene Theoriebildung aufgrund einer praktischen Tätigkeit,
nicht das Wiederkäuen fremder Theorien und Konzepte.
Leider bleiben die eigenen Theorien häufig unbewusst und undokumentiert.
Das erkennt man an dem Experiment, in dem man sich seinen eigenen Quellcode
10 Tage später anschaut und selber nicht mehr versteht.
Um das zu vermeiden, muss gelernt werden:

  • seine unbewussten Vorstellungen ins Bewusstsein zu heben
  • die Vorstellungen mit Begriffen begreifbar zu machen
  • die Begriffe zu einem konsistenten Konzept-Netzwerk zu verknüpfen
  • die Bildung einer eigenen, konsistenten Theorie
  • die Darstellung dieser Theorie in einer Form, so dass auch andere Menschen die Theorie nachvollziehen können
  • die Kommunikation der Theorie, so dass sie auch anderen Menschen nützt.

Das setzt natürlich voraus, dass wir unsere Vorstellung vom Unterbewusstsein neu überdenken:
Das Unterbewusstsein ist nichts Dunkles, was auf die Couch eines Psychiaters gehört,
sondern ganz alltäglicher Bestandteil unserer Lernprozesse.
Es funktioniert eher wie ein Recorder, ein Aufzeichnungsgerät,
das alles, was wir erleben, denken, handeln, aufzeichnet,
egal, ob es für die Zukunft sinnvoll und nützlich oder hemmend und störend ist.
Hier sehen wir einen weiteren Grund, warum uns Reflexion wichtig sein sollte.
Das gilt sogar für alle Lerntypen, siehe

Das gilt nicht nur für Programmieren,
sondern eigentlich für jede Art praktischer oder auch theoretischer Tätigkeit,
z.B. auch für das Bloggen.
Es geht um die Fähigkeit zur Reflexion und der Dokumentation der Reflexionsergebnisse.
Das ist auch ein Aspekt von „Klarlernen“.

Eine Vorlesung kann man systemisch auch so charakterisieren:
Die alte Generation steht vor der nächsten Generation und sagt ihr:
„Hier ist die Theorie, die in meiner Praxis wichtig war.
Nehmt sie und macht es so wie ich.“
Dahinter steckt die Vorstellung,
dass die Theorien der alten Generation der jungen Generation helfen könnten.
Dabei sind die Probleme der Zukunft,
ja nicht einmal die Berufe der Zukunft,
heute bekannt.
Wir wissen nicht, auf was wir uns vorbereiten müssen.
Die Dozenten wissen nicht, was ihre Studierenden in der Praxis benötigen werden.
Die Halbwertzeit des Wissens sinkt rasant.
Das Wissen der Vorlesung ist zu schnell veraltet.
Also warum machen wir uns dann die viele Mühe?

Daher muss das akademische Zusammenspiel von Theorie und Praxis neu überdacht werden.
Anwendungsorientierung erfordert neue didaktische Modelle.
Die bewährten akademischen Formen der Vergangenheit leisten heute
aufgrund veränderter Rahmenbedingungen nicht mehr ihren Dienst.
Das klassische universitäre Modell hat ausgedient.
Die nächste Generation muss befähigt werden,
ihre eigenen Lösungen in der Zukunft zu entwickeln.
Die Anwendung der Theorien der Vergangenheit reichen nicht mehr.

Das neue Zusammenspiel von Theorie und Praxis
geht zuerst in die Praxis und dann in die Reflexion,
trainiert praktische Fähigkeiten mittels Superlearning im Flow,
um danach in der Reflexionsphase Theoriebildung und Kommunikation zu praktizieren.
Es geht um „Wissenschaft machen“ statt „Wissenschaft konsumieren„.

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