Was sind die Kompetenzen des 21. Jahrhunderts?
Bevor man sich dieser Frage zuwendet, gilt es erst einmal zu verstehen, was meint der Begriff „Kompetenz“ eigentlich? Etwas richtig machen können? Was ist dabei richtig und was ist falsch? Wer bestimmt das? Auf welches System wird dabei Bezug genommen? So ganz isoliert kann man den Begriff der Kompetenz offensichtlich nicht definieren. Es ergeben sich Bezüge zur Vergangenheit oder zu bestehenden Systemen.
Kompetenzen zur Zukunftsgestaltung können nicht darauf reduziert sein. Die Definition „Kompetenz = es richtig machen können“ ist offensichtlich nur die Interpretation (fast hätte ich geschrieben: die beschränkte Sichtweise) des „ordentlichen“ Menschen (des Linkshirn-Menschen, siehe Duecks Supramanie oder Daniel H. Pink: „A Whole New Mind“). Welche Definition schließt die Wirkung der rechten Hirnhälfte mit ein?
Die bisherigen Kompetenzen, die in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis vermittelt werden sollen, fasst der „Kompetenz-Pabst“ John Erpenbeck in der Einleitung zu seinem Buch „Handbuch Kompetenzmessung: Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis“ wie folgt zusammen: „Kompetenzen sind Dispositionen selbstorganisierten Handelns. Handlungen sind entweder Subjekt-Objekt- (2 oder 3) oder Subjekt-Subjekt-Beziehungen (1), wie in folgender Grafik markiert:
- Selbstorganisiertes Handeln kann sich reflexiv auf die handelnde Person selbst beziehen (P): Personale Kompetenzen
- Es kann die Aktivität charakterisieren (A): Handlungskompetenzen
- Es kann sich auf die Gegenstände beziehen (F): Fachlich-methodische Kompetenzen
- Oder es kann auf das soziale Umfeld bezogen sein (S): Sozial-kommunikative Kompetenzen„
Die Pädagogik behauptet nun, dieses Schema sei vollständig. Stimmt das? Oder müssen wir bei dem Thema Zukunftsgestaltung und Kompetenzen des 21. Jahrhunderts das Schema erweitern? Diese Frage sollte für Schulen und Hochschulen von eminenter Bedeutung sein, da sie doch den Auftrag haben, die nächsten Generationen darauf vorzubereiten.
In diesem Blog gab es ja schon ein paar Einträge zum Thema Kompetenzen und es werden wahrscheinlich noch ein paar folgen:
- Vogelperspektiven-Kompetenz
- Tabula Rasa-Kompetenz
- dialogische Kompetenzen (Sokratischer Dialog, Offener Dialog, Gewaltfreier Dialog, …)
- interkulturelle Kompetenzen
- systemische Kompetenzen
Beim Thema „systemische Kompetenzen“ müsste das Schema wie folgt erweitert werden:
Dabei ist (4) die Beziehung des Subjektes zum System (bildlich der Kasten, in dem alles stattfindet): Nimmt das Subjekt das System wahr? Ist es sich dessen bewusst? Oder glaubt es nur, das sei normal? Was wird als „normal“ empfunden? (Der Turing-Award-Preisträger Alan Kay hat dazu eine Rede gehalten.) Die biologische Evolution hat das Gehirn zu einem Weltmeister in Anpassung an bestehende Systeme gemacht. Anpassung ist jedoch kein Bewusstsein und führt auch nicht konsequent dorthin. Die uralte Erkenntnis „… denn sie wissen nicht, was sie tun …“ kann in die moderne Sprache übersetzt werden mit einem Mangel an systemischen Kompetenzen.
Gunter Dueck nennt auf einer Folie in seinem ZVEI-Vortrag folgende Talente, die Professionalität in kommenden Berufen auszeichnen werden. Dabei wird Professionalität definiert als „zum Klappen bringen„, also nicht bloß produzieren, herstellen, verkaufen, managen, verwalten; oder theoretisieren, es besser wissen, sondern das, worauf es am Ende ankommt: dass es klappt, was auch immer „es“ sein mag. Damit das gelingt, wird im 21. Jahrhundert in der Regel einiges mehr an Kompetenzen hinzu kommen:
- Analytisches Talent
- Emotionales Talent (siehe auch Kernkompetenz Propathie (Daily Dueck 144, Juni 2011), einer Mischung aus Empathie und systemischer Kompetenz)
- Kreatives (neugierig-offenes) Talent
- Talent für Attraktion „Intropathie“
- Wille und Energie, Vitalität
- Sinn für Sinn
- Spiel-Intelligenz
Daniel H. Pink kommt nach den folgenden drei Kernfragen zu folgender Liste an Kompetenzen des 21. Jahrhunderts in Hochlohnländern.
Kernfragen:
- Kann es ein Computer schneller/besser?
- Wird es wirklich gebraucht/ benötigt? in einer Welt des Überflusses?
- Haben nicht bereits Niedriglohnländer genügend Kompetenzen, um dasselbe ebenfalls leisten/ produzieren zu können?
Daraus leitet er folgende Kompetenzen des 21. Jahrhunderts für Hochlohnländer ab:
- Design – Attraktivität erzeugen können jenseits von reiner Funktionalität (wie etwa Apple)
- Story – Geschichten erzählen können statt nur sachliche Argumente aufzuzählen (wie etwa Hollywood)
- Symphony – Das große Ganze sehen können, Synergien nutzen können (wie etwa Google)
- Empathie – Emotionen und Intuition nutzen können (wie etwa Facebook)
- Spiel – Aufgaben mit spielerischer Leichtigkeit erfüllen können (wie etwa iPad)
- Bedeutung und Sinnhaftigkeit geben können
Als Anleitung für die Diskussion in Hochschulen stellt Dan Pink seinen Leitfaden zur Verfügung.
„Geboren um zu lernen“ ist eine Webseite, die zu diesem Thema eine Reihe anregender Animationen zur Verfügung stellt.
Offensichtlich hat die Diskussion um die Kompetenzen des 21. Jahrhunderts gerade erst begonnen.