Die Bloomsche Taxonomie ist eine Klassifikation von Lernzielen, 1956 erfunden von einem Komitee von Erziehungswissenschaftlern unter Leitung von Benjamin Bloom. Die Publikation war der Endpunkt einer Serie von Konferenzen 1949 bis 1953, die die Kommunikation zwischen den Erziehungswissenschaftlern zum Thema Curricula und Prüfungen verbessern sollte. Im Jahre 2000 wurde eine überarbeitete Version publiziert.
Die Bloomsche Taxonomie postuliert eine Hierarchie von Kompetenzen, die aufeinander aufbauen und der Reihe nach erworben werden müssen (der Einfachheit halber beschränke ich mich hier auf die kognitiven Kompetenzen):
D.h. Kreativität ist die höchste Stufe, die man erklimmen kann.
2001 haben Anderson & Krathwohl erkannt, dass das mit der Reihenfolge wohl nicht so ganz stimmt. Zumindest die oberen drei Kompetenzen bauen nicht wirklich aufeinander auf. Sie sind eher parallel. Daher haben sie die Hierarchie wie folgt modifiziert:
D.h. Kreativität ist neben Analyse und Evaluation die höchste Stufe der Bildungsleiter.
In Berlin auf der Konferenz „Charta guter Lehre“ des Stifterverbandes hatte die amerikanische Keynote-Speaker sein Auditorium gefragt, wie Kompetenzorientierung heute in der Bildungslandschaft umgesetzt werde und welche Referenzrahmen es dafür gebe. Er hat die versammelte Professoren-Gemeinde die Antwort „Bloomsche Taxonomie“ im Chor sprechen lassen. Das ist das moderne Glaubensbekenntnis der Kompetenzorientierung, das jeder kennt, der in diesem Geschäft unterwegs ist. Die „Bloomsche Taxonomie“ ist der Standard.
Dabei braucht jeder bloß in einen Kindergarten zu gehen, um festzustellen, dass Kreativität keine höchste Stufe einer Bildungshierarchie ist, sondern dem Menschen in die Wiege gelegt wurde. Es gibt wunderschöne Videos von Montessori-Kindergärten, die analysieren, wie die Kinder sich freiwillig aus eigenem Antrieb als kleine Forscher betätigen, wenn man sie nur lässt. Sie analysieren ihr Umfeld genau, evaluieren und erschaffen Neues mit einer verblüffenden Systematik, die ihnen niemand beigebracht hat. Menschen sind geborene Forscher.
Was ist bloß los mit unserer Gesellschaft, die etwas offensichtlich Falsifizierbares zum Standard erklärt?
Die Bloomsche Taxonomie enthält offenbar einen Kategorienfehler. Während „erinnern“, „verstehen“, usw. von der Kategorie „Lernbares im Sinnes von Konditionierbares, Automatisierbares, Trainierbares, Speicher- und Reproduzierbares“ ist, ist Kreativität, Erschaffen in einem Schöpfungsprozess, von einer völlig anderen Kategorie. Kreativität kann man nicht reproduzieren, sonst wäre es keine Kreativität. Bei echter Kreativität geht es eher um Befreiung von alten Gleisen, Konditionierungen, Antrainiertem, sonst wäre es nicht wirklich kreativ. Und man muss nicht erst viele Sprossen einer Bildungsleiter erklommen haben, um dorthin zu kommen. Kreativität steht uns immer zur Verfügung. Von Anfang an: