Kollaboration und Kooperation

In seinem Blog „work is learning & learning is the work“ beschreibt Harold Jarche unter dem Titel „Principles of Networked Unmanagement“ den Unterschied zwischen Kollaboration und Kooperation:
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  • Kollaboration bedeutet Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Projekt, in dem man gemeinsam mit unterschiedlichen Rollen und Beiträgen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet. Charakteristisch ist das gemeinsame Projekt und das gemeinsame Ziel, dem sich die verschiedenen Funktionen und Rollen unterordnen müssen. Die Motivation ist extrinsisch, nämlich das gemeinsame Projektziel.
  • Kooperation bedeutet Zusammenarbeit, auch wenn man in verschiedenen Projekten an verschiedenen Zielen arbeiten und man dennoch etwas gemeinsam hat, das man miteinander teilen kann, jedoch in einem lockereren Verbund und nicht so starr aufeinander angewiesen wie bei der Kollaboration. Jeder macht sein Ding. Und gleichzeitig können wir miteinander Erfahrungen, Wissen, Kompetenzen miteinander teilen und damit gegenseitig helfen. Jeder schreibt seinen Blog und arbeitet an seinem individuellen Erkenntnisfortschritt weiter. Die Motivation ist intrinsisch. Es gibt keine extrinsische Motivation.

Beides sind Formen der Vernetzung. Kollaboration muss gemanagt werden, Kooperation hingegen nicht.

In diesem Sinne kann man auch verschiedene Formen des eLearning unterscheiden:

  • Kollaboratives eLearning (Wikis, CSCL) ist das gemeinsame Lernen im (realen oder virtuellen) Klassenraum an einer gemeinsamen Aufgabe mit einem gemeinsamen Ziel und einer Aufgaben- und Rollenverteilung zwischen den Lernpartnern. Kollaboratives eLearning ist gemanagt. Die Motivation ist extrinsisch.
  • In kooperativem eLearning (ePortfolio, Blogs, Web 2.0) macht jeder sein Ding, dokumentiert seine eigenen Interessen und Lernfortschritte, ist ungemanagt und intrinsich motiviert.

In „„Age of first interest“ – Bringt bei, was interessiert, nützt oder fesselt!“ fragt Gunter Dueck: „Wenn Kinder etwas interessiert, fragen sie uns Löcher in den Bauch. Warum nutzen wir das nicht aus? Sie lernen dann zehn Mal schneller und viel, viel mehr.“ Das spricht für die intrinsische Variante, also kooperatives Lernen. Dueck: „Unsere Erziehungssysteme tendieren aber immer mehr dazu, den Erziehungsprozess zu systematisieren und letztlich zu industrialisieren.“ D.h. die Systeme rufen nach Managebarkeit, Effizienz, Optimierung. Das hat schon in Teilen seine Berechtigung, solange es die Freiheit des Einzelnen, seine intrinsische Motivation neben sich duldet und leben lässt. Es ist die Ausschließlichkeit der Optimierung, die lern- und lebensfeindlich wirkt.

In unserem Gehirn wird die Denkleistung nicht von dem einzelnen Neuron geleistet, sondern vom Netzwerk aller Neuronen. Ohne das einzelne Neuron findet die Denkleistung nicht statt. Und gleichzeitig ist es das Netzwerk und nicht das einzelne Neuron, das die Denkleistung erbringt. In diesem Netzwerk gibt es kein Superneuron, das alle anderen Neuronen managt. Das Gehirn ist in diesem Sinne ungemanagt. Auch wenn die Vorstellung von einem „Ich“ die Illusion eines Managements erzeugt.

Das Netzwerk ist die Intelligenz!

(Das erinnert mich so an den Werbespruch von SUN Microsystems Inc., heute von Oracle gekauft, in den 90-ern führender Unix-Rechner-Hersteller: „The Network is the computer!“)

Das Internet ist vernetzt, aber kaum gemanagt, jedenfalls (noch) nicht in vielen wichtigen Fragen. Es handelt sich eher um einen losen Verbund. Die Frage der Einführung von Management-Hebeln ins Internet ist direkt gekoppelt mit der Frage des Intelligenzpotenzials dieses globalen Gehirns. Daher ist Netzpolitik heute so wichtig und zukunftsentscheidend. Die Überlebenswichtigkeit dieser Frage können wir auch mit folgender Brille sehen: Solange der Klimawandel ungebremst weiter geht, ist das globale Intelligenzniveau nicht ausreichend entwickelt. Denn welche Gesellschaft sägt schon den Ast ab, auf dem sie sitzt? Es kann keine intelligente sein.

In der Gesellschaft gilt: Der Mensch wird erst durch den Menschen zum Mensch. D.h. die Vernetzung und das soziale Miteinander spielen eine wesentliche Rolle. Und gleichzeitig wird Freiheit des Einzelnen als höchstes Gut in die Verfassungen vieler Staaten hinein geschrieben. Jeder soll nach seiner Facon selig werden. Jeder macht sein Ding. Und gleichzeitig gibt es einen fröhlichen Austausch untereinander, ein Voneinander-Lernen. Wir haben etwas miteinander zu teilen (sharen). Dieses Teilen ist kein „Zer-teilen“ in verschiedene Bruchstücke, sondern eher ein Zusammenführen, Zusammenwachsen und ein Miteinander, an dem man mit Freude teilhaben möchte. Deswegen blogge ich. Das fordert und fördert Offenheit, Transparenz und eine Vielfalt (diversity) an Ideen. Diversität beginnt in den Köpfen:

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