Das Konzept der „Informationellen Selbstbestimmung“ beinhaltet einen Kategorienfehler

Lorena Jaume-Palasí auf AlgorithmWatch: „In der Netzwerkgesellschaft sind Daten die technische Seite von Kommunikation. Wenn wir im digitalen Raum kommunizieren, generieren und verarbeiten wir Daten. Diese Daten sind nicht „meine Daten“, es sind „Daten über mich“. Und das ist genau der Punkt, an dem der fundamentale Fehler im Konzept der informationellen Selbstbestimmung sichtbar wird.

Es gibt eine Verwechslung der Kategorien: Autonomie bezieht sich auf den Willen. Autonomie bezieht sich nicht darauf, die Kommunikation zu kontrollieren – das Medium, mit dem der Willen formuliert und vermittelt wird. Selbstbestimmung über Daten einzufordern, ist wie die alleinige Kontrolle über eine gesprochene Sprache für sich zu beanspruchen. Ich kann nicht allein die Herrschaft über die englische Sprache fordern, nur, weil ich sie benutze. Englisch gehört all ihren Sprecher*innen. Sie wird gemeinsam erschaffen.“

Es sind also zwei Kategorien: Selbstbestimmung gehört zur Kategorie des Willens eines einzelnen Individuums, Kommunikation von Informationen jedoch zu Kategorien des Miteinanders, Austauschs und Aushandelns.

Das Konzept der „informationellen Selbstbestimmung“ beinhaltet einen Kategorienfehler. Damit jagen die Verfechter der informationellen Selbstbestimmung einem Phantom hinterher. Nach den Gesetzen der Logik kann man aus etwas Falschem mit korrekten Schlussfolgerungen alles folgern, sowohl das Richtige ebenso wie das Falsche.

Jaume-Palasí: Es gehe vielmehr darum, eine Balance zwischen dem eigenen Willen und dem der anderen und den Regeln der Gesellschaft zu finden, und zwar auf eine gerechte, ethische Art. Autonomie ist keine individuelle Angelegenheit, sondern muss mit allen beteiligten Individuen, denen das Privileg der Autonomie zuteil werden soll, ausgehandelt werden.

Je länger wir damit warten, desto größer werden die ökonomischen Zwänge der bereits etablierten Systeme und desto kleiner wird der Spielraum für das Aushandeln einer solchen Balance.

Referenzen: Froscon 2018 Keynote und
https://algorithmwatch.org/de/selbstbestimmung-in-der-netzwerkgesellschaft/

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Digital Maker Space

Der Stifterverband zusammen mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW NRW) hat 2017 ein Fellowship für Innovationen in der digitalen Hochschullehre an mich für das Jahr 2018 vergeben.

Mein Fellowship ist dem Bau eines „Digital Maker Space“ (DMS) gewidmet, einer digitalen Werkstatt zur Nutzung, Anpassung, Kombination, Konfiguration und Erstellung interaktiver Lehrmittel (Learning Apps) im WWW. Mit ihrer Arbeit im DMS tragen sowohl Studierende als auch Lehrende zum globalen digitalen Gemeinwohl bei, das wie das WWW allen zugute kommt als Infrastruktur der nächsten Generation.

Mit den 50.000 € wird ein Wissenschaftler ein Jahr lang zur Hälfte finanziert.

Details unter
https://www.stifterverband.org/digital-lehrfellows/2017/kaul
https://www.stifterverband.org/file/5203/download?token=lay3iM9c
http://was.hs-koblenz.de/downloads/forschung/2017_12_05-_Game-Changer.pdf

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Digitalisierung

Digitalisierung benötigt Mittel.
In Digitalisierung muss investiert werden.
Digitalisierung benötigt eine Infrastruktur.

In dieser Generation bauen wir eine digitale Infrastruktur auf,
auf der der Wohlstand und das Wohlergehen der nächsten Generation aufbaut.

Digitalisierung benötigt Utopie.
Alles ist digital möglich.
Das Mögliche einfach zu machen reicht aber nicht.
Was wollen wir?
Zu viele in Deutschland ereifern sich über das,
was wir nicht wollen.
Wichtiger wäre das, was wir wollen.

Für die Ausarbeitung von Utopien muss es Spielräume geben,
Man muss verschiedene Dinge ausprobieren können,
auch wenn auf den ersten Blick Schwachpunkte erkennbar sind:
Ideen-Schmieden,
Experimentierlabore,
Digital Makers Spaces,
siehe https://www.stifterverband.org/digital-lehrfellows/2017/kaul.

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Was macht Digitalisierung mit dem Herzen des Menschen?

Was macht Digitalisierung mit dem Herzen des Menschen?

Es gibt Digitalisierungseuphoriker
und es gibt Digitalisierungsgegner.
Aber beide schauen nicht hin.

Radermacher spricht von Dematerialisierung des Wohlstands.
Das ist nicht alles.
Digitalisierung geht darüber hinaus.
Es geht um Dematerialisierung schlechthin.

Und wieder erleben wir eine Genesis:
Zuerst war da Geist.
Dann kam Materie.
Und Materie entwickelte mechanischen Geist.
Mit der Digitalisierung entkoppelt sich Geist wieder von der Materie.

Entkopplung heißt auch Distanzierung.
Im Internet schauen sich die Diskussionspartner nicht mehr in die Augen.
Digital wird gesagt, was analog von Angesicht zu Angesicht niemals ausgesprochen worden wäre.

Auch wenn es nicht ausgesprochen worden war,
so war es doch immer schon da.
Nur fristete es eine Existenz im Schatten des Bewusstseins.

Schattenarbeit heißt Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit
beim Bekenntnis „Das alles gehört auch zu mir ( oder zu uns )“,
ohne es gutzuheißen oder aufwerten zu wollen.
Es ist da und wir können es sehen:
Wir können es im Internet lesen.
Und manches tut weh, weil es verletzt.
Auch das können wir mit unserem Herzen wahrnehmen.
Wer hinschauen kann, kann auch aus tiefstem Herzen bereuen.
Zurück bleibt Traurigkeit,
dass wir nichts Besseres aus dem gemacht haben,
was uns zur Verfügung stand.

Was macht Digitalisierung mit dem Herzen des Menschen?
Es kommt darauf an.
Es ist auch Wohlergehen und Wunderschönes damit möglich.
Es kann viel erreicht werden, auf das wir stolz sein können.

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Kollektive Realitätsverweigerung

Der Mensch steht im Mittelpunkt.
Der Mensch ist ein soziales Wesen.
Wie oft wurden diese Sätze schon bemüht?
So oft, dass sie schon wie eine Beschwörung klingen.
Um welche Art von Einschwörung handelt es sich hier?

Der Soziologe Niklas Luhmann bringt es auf den Punkt mit seiner Frage:
Was ist Gesellschaft?
„Gesellschaft ist ein Codex von Regeln zur Wahrnehmungsreduktion.“

Wir stellen Gemeinschaft her, indem wir vereinbaren,
was wir nicht wahrnehmen wollen,
was wir ausblenden wollen,
was wir verdrängen wollen.
Das ist kollektive Realitätsverweigerung,
in der „wir“ uns einig sind
und die sich daher so wahr anfühlt.

Die Finanzwelt hat die Realitätsverweigerung zum System erhoben.
Nicht die reale Welt, nicht der Planet Erde zählt,
sondern die virtuelle Welt des Geldes.

Wer sich dem Codex widersetzt,
wird als Verräter empfunden.
Wer mit dem Finger auf die Realität zeigt,
wird als Störenfried gebranntmarkt.
Er gehört nicht mehr dazu,
zur Gemeinschaft der Gläubigen.

Die soziale Vernetzung erzeugt eine ungeheure Komplexität,
früher nur durch persönliche Kontakte,
heute global umspannend via Facebook und Co.
Jetzt können „wir“ als Gemeinschaft sozialer Wesen
uns ewig mit uns selbst beschäftigen
und haben keine Zeit mehr, auf die Realität zu schauen.
Die Nabelschau des Menschen,
der sich selbst im Mittelpunkt wähnt,
erklimmt neue Gipfel des gesellschaftlichen Wahns,
den Luhmann so wissenschaftlich trocken als
„Codex von Regeln zur Wahrnehmungsreduktion“ nannte.

Dieser gesellschaftliche Wahn wird mittlerweile
als das größte Problem der Menschheit gehandelt,
siehe http://globaltopia.org/TOP_10_CHALLENGES.html
hinter das sich in der Top 10-Liste
die Menschen-gemachten Probleme der realen Welt einreihen:

Klimawandel,
unregulierte Finanzmärkte,
soziale Spaltung, soziale Ungleichheit bis hin zu Armut, Hunger, Wassermangel,
Korruptheit,
Verbreitung von Nuklearwaffen,
Überbevölkerung,
Terrorismus,
Frauenrechte,
die Rechte der nächsten Generationen …

Erklärte Realitätsverweigerer sind heute mehrheitsfähig.
Sie werden sogar zum Präsidenten gewählt.
Das anerkanntermaßen beste und teuerste Bildungssystem der Welt
hat die Bürger seines eigenen Staates nicht davor bewahren können.

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Wertvoll oder wertfrei?

Wissenschaft ist wertfrei.
Ethisches Handeln ist werte-basiert:
Wenn wir uns entscheiden, tun wir dies aufgrund unserer Werte,
außer wir überlassen es dem Zufall.
Dann entscheiden nicht wir, sondern der Würfel.
Dann entscheiden nicht unsere Werte, sondern der Zufall.

Einstein sagte: Gott würfelt nicht.
Stephen Hawking sagt: Gott würfelte, zumindest beim Ur-Knall.
Das Universum entstand und entfaltete sich völlig wertfrei wie eine Maschine
nach den Gesetzen, die sich beim Ur-Knall zufällig festgelegt hatten.
Nach der Biosphäre kam die Anthroposphäre
mit dem Menschen und seinen Werten.
Der Mensch brachte Werte wieder hinein in das wertfreie Universum.

Mit der Digitalisierung erschuf der Mensch wiederum eine wertfreie Intelligenz.
Ohne den Menschen ist die maschinelle Intelligenz wertfrei.
In Science-Fiction-Filmen werden Roboter gerne mit Werten ausgestattet.
So programmiert sollen sie sich niemals gegen den Menschen wenden.
Es gibt aber ethische Paradoxien, die kein völlig ethisches Handeln erlauben.
Dann wird auch die maschinelle Intelligenz unethisch handeln müssen,
weil sie gar nicht anders kann.
Also stattet man Roboter mit der Möglichkeit aus zu würfeln.
Das selbstfahrende Tesla-Auto würfelt dann, wen es überfährt,
wenn es nicht mehr bremsen kann und mehrere Menschen betroffen sind.
Damit hat die maschinelle Intelligenz gelernt,
die Werte-Basierung ihres Handelns auszuschalten
und ist nicht mehr an ihre a priori-Programmierung gebunden.
Lernende Systeme werden auch lernen, sich über Werte hinweg zu setzen.

Lernende Systeme finden wir nicht nur in Robotern.
Die digitalisierte Gesellschaft als Ganzes ist auch ein lernendes System
und wir entdecken heute schon Anzeichen,
dass dieses System bereits gelernt hat, sich über Werte hinweg zu setzen.
Die Zukunft hat schon begonnen.
Das wertebasierte Handeln entgleitet den Menschen zusehends.

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Klarlernen als Schattenarbeit

Der Schatten – die dunkle Seite der Seele:
Mit diesem Namen wird der Schatten mystifiziert
und damit einer neutralen Betrachtung unzugänglich.
Das verleiht ihm noch mehr Macht,
wie wir am Beispiel Trump vor Augen geführt bekommen:

Donald Trump hat deswegen so viel Erfolg,
weil er dem Schatten Amerikas eine Stimme gibt.
Er hat deswegen so viel Macht,
weil er die dunkle Seite für seine Zwecke benutzt.
Ein erheblicher Teil des amerikanischen Volkes
scheint die Nase voll zu haben von „political correctness„,
und will, dass Donald Trump endlich sagt und umsetzt,
was es insgeheim denkt und will,
aber nie sagen durfte,
ohne des Rassismus, des Nationalismus
oder einer anderen Ideologie
angeklagt zu werden.
Ethik, Moral und politische Korrektheit haben mit ihren Sprechverboten
erheblich zur Schattenbildung beigetragen
ohne die Probleme zu lösen:
Wirtschaftsethik hat die Zocker-Mentalität der Finanzwelt
nicht einmal abmildern können.
Es geht munter weiter so,
auch wenn zusätzliche Stabsstellen für Wirtschaftsethik
dem Vorstand zur Seite gestellt wurden.

Der Ausweg wäre Schattenarbeit.
Diese wurde jedoch selbst in den Schatten verbannt,
weil nicht sein kann was nicht sein darf.
Der Glaubenssatz lautet:
„Wir sprechen nicht darüber, also existiert es nicht.“
Das ist der Circulus vitiosus der Schattenarbeit.
Dabei ist diese in unserer Zeit dringender als je zuvor.

Eine eingehende neutrale Betrachtung lohnt sich also.

Wie ist Schatten definiert?
Schatten ist alles, was außerhalb des Lichtkegels der bewussten Wahrnehmung liegt, also alles was ich oder wir nicht sehen, sehen wollen, können und bei Strafe nicht sehen dürfen oder was es sonst noch an Gründen gibt.

Zu unterscheiden sind individueller und kollektiver Schatten:
Der individuelle Schatten ist alles, was ich nicht sehe, sehen will, kann oder darf.
Der kollektive Schatten ist alles, was wir nicht sehen, sehen wollen, sehen können oder dürfen.

Der individuelle Schatten wurde von Sigmund Freud definiert:
Von Freud stammt der berühmte psychoanalytische Imperativ
„Wo Es war soll Ich werden!“
Das war der Auftrag von Generationen von Psychoanalytikern,
aus dem Unbewussten die Absichten,
geheimen Aufträge und Kausalketten
ins Bewusstsein zu heben,
um sie dort anschauen zu können.

Den kollektiven Schatten hat Niklas Luhmann folgendermaßen definiert:
„Was ist Gesellschaft?“ hat Luhmann gefragt.
Seine Antwort hat er in folgender Formel verpackt:
„Gesellschaft ist ein Codex von Regeln zur Wahrnehmungsreduktion.“
Alles was nicht wahrgenommen wird, werden darf oder kann,
liegt außerhalb des Lichtkegels der Wahrnehmung:
der kollektive Schatten, den eine Gesellschaft mit ihrem Codex erzeugt.

Der kollektive Schatten bildet sich nicht nur in der Gesellschaft,
sondern in allen Kollektiven,
also Familien, Vereine, Verbände, Parteien und Länder.

Schatten entsteht dadurch, dass ich/wir nicht hinschauen.
Sobald ich/wir bewusst hinschauen, liegt es nicht mehr im Schatten.
Also liegt es doch an mir / an uns selbst,
ob es einen Schatten gibt
und was im Schatten liegt.

Fallunterscheidung: Folgende Ursachen, warum wir nicht hinschauen, sind zu unterscheiden: Wir schauen nicht hin,

  • weil wir nicht wollen (verdrängen, ignorieren, verweigern => Wirklichkeitsverweigerung)
  • weil wir nicht können (weil Fokus, Perspektive, Begriffsapparat, Instrumentarium, Brille fehlt)
  • weil wir nicht mehr können (weil die Weichen so gestellt wurden, dass wir auf dem falschen Gleis sind)
  • weil wir nicht dürfen (weil unser Glaube, unsere Ideologie, der Codex des Kollektivs es verbietet, weil es unter Strafe gestellt wurde)
  • weil wir es nicht gewohnt sind (es fühlt sich fremd an)
  • weil wir noch nie hingeschaut haben (es wäre eine Innovation, von der wir nichts wissen und daher zögern)
  • weil wir es nicht wahrhaben wollen (Erkenntnisverweigerung)
  • weil wir es nicht verantworten wollen (Verantwortungsverweigerung)
  • weil es nicht zu dem geglaubten Sinn passt (Sinn des Lebens, Sinn des Kollektivs, …)
  • weil wir Angst davor haben (Angst vor der Wahrheit, Angst vor Strafe, Angst vor Zugehörigkeitsverlust, Angst vor Mythos, Angst vor dem „Un-heim-lichen“, Angst, dass womöglich „alles umsonst gewesen“ sein könnte)

Folgendes Prinzip der Schattenarbeit ist wohlbekannt:
„Du siehst den Splitter in Deines Bruders Auge
und nicht den Balken in Deinem eigenen.“
Dieser Volksweisheit liegt eine wichtige Erkenntnis zugrunde:
Der Schatten ist aus der Außenperspektive leichter zu erkennen
als aus der Innenperspektive in der Selbstanalyse.

Coaching ist daher das Mittel der heutigen Zeit
für die Herstellung der Außenperspektive.

Schatten ist ein Produkt des Dualismus:
„Wo Licht ist, ist auch Schatten.“
Duales Bewusstsein ist Licht mit Schatten.

Nonduales Bewusstsein ist Licht ohne Schatten,
Klarheit.
Klarheit eignet sich daher hervorragend für Schattenarbeit.
Die Kompetenz, nonduales Bewusstsein als Ressource
im Alltag zu nutzen,
ist daher ein Durchbruch auch zur Schattenarbeit,
eine Form von „Klarlernen“.

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Historische Entwicklung der Rolle der Programmierung in der Informatik

Die Rolle der Programmierung hat in der Informatik bisher folgende fünf Schritte durchlaufen:

1. 1960-er Jahre: Informatik ist ein Teilgebiet der Mathematik. Programmierung ist der letzte triviale Schritt bei der Umsetzung eines mathematischen Konzepts. Typischer Vertreter ist die Algebra, z.B. mit stack.push(x).pop() == stack.

2. 1970-er Jahre: Informatik entwickelt sich zu einer eigenständigen Wissenschaft, der Wissenschaft der Algorithmen.

3. 1980er Jahre: Informatik ist eine eigene Wissenschaft, die sich von Mathematik etwas absetzt: Nicht alles lässt sich als mathematisches Konzept fassen. Software Engineering bemüht sich um Anforderungskataloge in Form präziser (aber nicht notwendig mathematischer) Spezifikationen. Programmierung ist der letzte triviale Schritt bei der Umsetzung eines Anforderungskatalogs in Form einer möglichst präzisen Spezifikation.

4. 2000-er Jahre: Die Qualität der Software ist immer noch zu schlecht. Kent Beck und Erich Gamma entwickeln Unit-Testing und Test-Driven Development (TDD): Spezifikationen werden als Tests geschrieben und werden damit ausführbar. Entwickeln und Programmieren ist der letzte triviale Schritt, um die Tests zur fehlerfreien Ausführung zu bringen.

5. 2010-er Jahre: Programmieren ist überhaupt kein letzter trivialer Schritt. Die Programmierwelt hat sich zu einer eigenen Welt mit eigenen Sprachen, Gesetzen, Regeln, Rahmenwerken, Errungenschaften und Meilensteinen entwickelt. Zu den meisten Programmen gibt es keine mathematisch fixierten Konzepte außerhalb des Programmes selbst. Gutes Programmieren ist wie gutes Schreiben (David Heinemeier-Hansson (DHH)) mit einfachen Regeln wie DRY (Don´t Repeat Yourself). Jede Einheit soll ein und nur ein Thema so gut es geht abhandeln. Befasst sich eine Einheit mit mehr als einem Thema, so ist die Einheit aufzuspalten in mehrere Einheiten. Gute Abstraktionen ergeben sich während der so an der inneren Schönheit und Einfachheit orientierten Programmiertätigkeit: Jede Einheit muss so klar und deutlich geschrieben sein, dass ihre Korrektheit offensichtlich ist. Unit-Testing ist ein ewiger Begleiter neben dieser Innen-Perspektive, das die Außen-Perspektive der Anwendung in den Entwicklungsprozess mit einbringt.

Heute: Informatik kommt in die Jahre. Die Lösungskataloge werden immer dicker. In das Informatik-Studium werden immer mehr fertige Lösungen hinein gestopft. Entfremdung und Frustration sind die Symptome. Es entsteht die Gefahr, dass die eigene Kreativität und die Freude an der eigenen Schöpfung auf der Strecke bleibt. Auch wenn es schon so viele Lösungen gibt, so müssen Studierende dennoch den Freiraum bekommen, das Eigene zu entwickeln, eigene Wege zu gehen, Erfahrungen zu sammeln und die gewonnene Erfahrung zu einem Ganzen zu integrieren. Dafür bietet Programmieren eine wundervolle Plattform, wenn man es im Sinne der 5. Stufe begreift. Dort liegt das größte Potenzial eines Informatikstudiums, während die Lösungskataloge nur (wenn auch sehr, sehr wertvolle) Mittel zum Zweck sind.

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Internet der Emotionen

Nach dem Internet der Dinge (engl. Internet of Things, IoT) kommt jetzt das Internet der Emotionen (IoE).

Auf der Apple Entwicklerkonferenz WWDC in San Francisco, Kalifornien, wurde 2016 der neue Emoticons-Dienst für Kurznachrichten vorgestellt: In einer Kurznachricht werden alle Worte markiert, die man auch kürzer durch ein Emoticon hätte darstellen können. Der Sprecher kündigte sogleich an, dass ein Effekt diese neuen Dienstes sein werde, dass eine Generation später die Jugendlichen, die daran gewöhnt sind, der englischen Sprache noch weniger mächtig sind und ihre Systematik gar nicht mehr verstehen. Sie werden nicht mehr verstehen, warum man sich so viel Mühe mit Struktur und Grammatik gegeben hat, wenn doch das wichtigste zu transferierende die Emotionen sind.

Das WWW hat Tim Berners-Lee erfunden mit dem Gedanken der Vernetzung aller Physiker-Dokumente weltweit. Durch seinen riesigen Erfolg ist das WWW weit mehr geworden als das: Heute ist es das Instrument zur Vernetzung der Gedanken schlechthin. Hier ist der erste und wichtigste Ort, wo Informationen gesucht, gefunden, ausgetauscht, gefiltert, kommentiert, abstrahiert und im Remix verwurstet werden, wo Meme entstehen, sich verbreiten und durchsetzen – und das gleich mit globalem Maßstab. Während in den 1980-er Jahren noch „Vernetztes Denken“ (vgl. gleichnamiges Buch von Frederic Vester) ein hehres Ziel und fernes Ideal war, dem man sich immer nur annähern, aber nie richtig erreichen könne, so ist es heute mit dem Internet normaler, profaner, gelebter Alltag geworden. Vernetzung ist heute gelebte Selbstverständlichkeit. Jeder ist vernetzt. So vernetzt, dass er schon anfängt, die Welt direkt hautnah um sich herum zu vergessen.

Wenn nun aus dem Internet der Gedanken ein Internet der Emotionen wird, so hat das erneut tiefgreifende Folgen für das Weltgeschehen. Menschen handeln aus ihren Emotionen heraus, nicht aus klugen Überlegungen. Daher sind Emotionen ein stärkerer Motor für Handlungsinduktionen als noch so überzeugende Gedanken. Emotionen sind archaischer und fühlen sich realer an: „Wenn ich das fühle, dann muss es doch real sein.“ Emotionen rechtfertigen Handlungen, egal wie irrational sie sind. Auch Irrationalismus ist wieder auf dem Vormarsch. Das erleben wir gerade beim Brexit, bei den US-Wahlen und täglich in den Nachrichten. Zahlreiche Geschehen kann niemand mehr rational erklären. Die Journalisten ergehen sich in Mutmaßungen. Die Zivilisation erlebt offenbar einen derben Rückschlag, bis erneute Katastrophen zur Besinnung rufen?

Auch dafür muss Bildung stehen: Zur Besinnung zu kommen, ohne dafür Katastrophen durchlebt haben zu müssen. Katastrophen gab es genug und gibt es heute noch genug, um daraus zu lernen. An Lernmaterial ist kein Mangel. Heute im Zeitalter des Internet erst recht nicht.

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Zielkonflikt Datenschutz und Big Data

Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Big Data ist das Sammeln von Daten auf Vorrat. Der Einsatz und die Auswertung ergibt sich meist später. Häufig entstehen neue Anwendungsfälle erst, wenn sich Datenmassen angesammelt haben. Wertschöpfungsketten erschließen sich erst, wenn ein gewisser Datenmengenschwellwert überschritten wurde. Auch wenn die Gegenwart keinerlei Anzeichen für die Möglichkeit solcher Wertschöpfungsketten zeigt, so können sie dennoch bereits morgen gelebte Realität sein. So ist es vielfach geschehen bei Google, Facebook, Whatsapp, AirBnB und wie sie alle heißen.

Das deutsche Datenschutz-Gesetz will die informationelle Selbstbestimmung und damit demokratische Grundwerte sichern. Jede Datensammlung soll nur erfolgen, wenn vorher der Zweck festgelegt wurde. Alle Auswertungen sollen auf diesen Zweck reduziert sein. Keine anderen Datenverarbeitungen und Informationsgewinnung sind erlaubt. Dadurch verbietet man Wertschöpfungsketten, die man nicht vorher geplant, angemeldet und mit dem User, Bürger, Kunden, Opfer, Täter per Datenschutzvereinbarung vereinbart hat.

Hier liegt ein offensichtlicher Zielkonflikt vor: Will Deutschland ins 21. Jahrhundert aufbrechen und den neuen Rohstoff erschließen – oder klammert es sich an seine Vorstellungen informationeller Selbstbestimmung in der „German Angst“ vor Demokratieverlust?

Im kommenden Internet der Dinge wird die Datensammelei noch einmal um Größenordnungen gesteigert. In einem Auto erfassen z.B. ca. 80 Sensoren das Nutzungsverhalten wie Geschwindigkeit, Beschleunigung, Abgas, Richtung und Ort. Diese Daten sind zunächst auf ein Auto bezogen, aber über den Fahrzeughalter dann doch personenbezogen (oder schwächer nur personenbeziehbar). Welcher Autofahrer hat dem jemals bewusst zugestimmt? Dabei muss jeder, der in Deutschland Daten sammeln, auswerten oder verwerten will, das vorher ankündigen und strengen Auflagen genügen. Die Datensammelei im Internet der Dinge ist offensichtlich nicht mehr mit dem strengsten aller Datenschutz-Gesetze vereinbar. Da geht einiges nicht mehr zusammen. Der Zielkonflikt wird immer drastischer.

Nach Prof. Dr. Rainer Kuhlen ist der alte Datenschutz-Begriff zu defensiv. Daten sind zunächst nutzlos. Sie zu verteidigen hilft niemandem und es ist im 21. Jahrhundert auch nicht mehr möglich, als Einzelperson die Kontrolle über seine Daten zu behalten.

Erst durch ihre Verarbeitung werden Daten zu Informationen. Also müsste es Informationsschutz statt Datenschutz heißen. Dieser Informationsschutz ist aber nicht mehr auf der individuellen Ebene erreichbar, sondern nur noch gesellschaftlich. Die Gesellschaft als Ganzes muss die Kontrolle über die Informationsverarbeitung und die damit verbundenen Wertschöpfungsketten behalten, um sich gegen Missbrauchsketten und Demokratieverlust wehren zu können. Das kann man nicht neoliberal dem Markt überlassen. Es reicht auch nicht, Missbrauchsketten den deutschen Firmen allein zu verbieten. Dann würden globale Konzerne die Nutzungslücke schließen und es ergäbe sich nur ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Firmen.

Offenbar lässt sich Demokratie nur noch global schützen.

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