Real und virtuell

Was ist real und was ist virtuell? Sascha Lobo In einem Spiegel Online Artikel schreibt Sascha Lobo, dass die so genannten realen Leute auf die Leute in der so genannten virtuellen Welt (auf die Blogger, Wiki-Schreiber, Twitterer, Facebooker) mit dem Finger zeigen und sagen: „Ihr seid in einer virtuellen Welt! Ihr seid in einer Parallelwelt!“. An diese Unterscheidung zwischen realer und virtueller Welt haben wir uns schon so gewöhnt, dass wir sie nicht mehr hinterfragen. Aber genau das macht Sacha Lobo in dem erwähnten Artikel. Er dreht den Finger um und zeigt auf die so genannte reale Welt: Was ist denn die Welt der Massenmedien, der Pressekonferenzen und der Nachrichten? Das sind die Scheinwelten. Es sind die Blogger, die auf die reale Welt (mehr oder weniger) hinweisen. Es ist also genau umgekehrt, als die Massenmedien uns weismachen wollen.

Was ist real und was ist virtuell? Diese Frage stellt sich in unserer Zeit auf eine erfrischende Weise neu und es tut gut, sich unvoreingenommen darauf einzulassen.

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Denken und Fühlen

Warum fehlt in der Abbildung aus einem früheren Blogeintrag die Verbindung zwischen Denken und Fühlen?

Was sind die neurowissenschaftlichen Grundlagen? Für Fühlen und Denken sind unterschiedliche Bereiche des Gehirns zuständig: Für Fühlen gibt es das Reptiliengehirn, das sich im Laufe der Evolution früher entwickelt hat. Handlungen mit schnellen Entscheidungen sind primär gefühlsgesteuert. Das geht schneller und ist ein Überlebensvorteil.

Denkvorgänge geschehen dagegen im Neocortex, der sich wesentlich später entwickelt hat. Die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen beiden Gehirn-Typen ist nichts naturgegebenes, sondern wird gelernt, entsteht durch Sozialisierung und Reflexion.

 

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Reifemodell

Die Erwartungen der Arbeitgeber an Absolventen einer Hochschule ändern sich. Es werden nicht nur Studierte erwartet, die das Fachwissen erlernt haben, sondern auch reife Menschen, die nicht mehr diese Anfängerfehler machen. Hochschule wird damit zu einem Ort der Menschenreifung – und seit Bologna im Turbo-Tempo („Turbo-Reifung„). In 6 Semestern sollen aus unreifen Jugendlichen reife Erwachsene werden, die mit ihren Arbeitskollegen und vor allem den Kunden zurecht kommen. Also brauchen Hochschulen jetzt ein Reifemodell für Studierende, aus dem hervorgeht, welche Reife gemeint ist und wie Stufen von Unreife zur Reife aussehen könnten. Was hat das mit Wissensgesellschaft oder Kompetenzorientierung zu tun? Nichts! Reife ist eine andere Dimension.

Das sind also die drei wesentlichen Dimensionen der Bildung: Wissen, Kompetenzen und Reife.

Reife entsteht nicht einfach mit dem Alter und Erfahrungswissen. Dazu gehört mehr. Es gibt Chancen, mit dem Alter reifer zu werden. Eine Garantie gibt es jedoch nicht.

Was bedeutet das für den Lehr- und Lernbetrieb einer Hochschule im Unterschied zur Schule? Frank Berzbach schreibt dazu in der FAZ am 15.6.2011: „Im Unterschied zur Schule folgt die Universität der Idee, dass Lehrende und Lernende eine Gemeinschaft Erwachsener bilden, die zusammen eine Thema befragen und erschließen. Der Orientierungsüberschuss der Lehrenden bezieht sich auf das Fachwissen oder Feldkenntnisse und weniger auf weniger auf die entwicklungspsychologische Reife. Wissens- und nicht Rollenhierarchien sind Kennzeichen der Universität. Bestenfalls arbeitet man auf Augenhöhe und etabliert eine Kultur gemeinsamen ‚forschenden Lernens‘. “ Der Erziehungsauftrag gehörte bisher definitiv nicht dazu.

Gunter Dueck teilt in einer seiner Typisierungen die Menschen ganz grob in ordentliche und kreative ein. Bisher habe Schule die ordentlichen Menschen einseitig bevorzugt und die kreativen unterdrückt bzw. diese auch zu ordentlichen Menschen erziehen wollen. Das hat nicht immer geklappt. Kreative, die so tun, als ob sie ordentliche wären, sind eben nur halb so gute ordentliche Menschen wie die richtig ordentlichen. An den Schulnoten gemessen sind sie nur halb so viel wert. Aber wie viel wert sind Schulnoten? Immer mehr Personaler stellen fest, dass sie die Falschen rekrutieren, wenn sie nur nach Noten gehen. Irgendwas scheint doch da schief zu laufen.

Unreife kreative Egoisten wollen nur ihren Spaß haben, können sich nicht einordnen und sehen keinen Sinn in Ordnung. Ordnung ist der Feind für unreife Kreative.

Unreife Ordnungshüter sehen die Macht der Ordnung, können alles darin einordnen und der Ordnung unterordnen. Für sie gibt es eigentlich nichts anderes als Ordnung. Kreative sind die Feinde des Ordnungsliebenden.

Erst auf einer reiferen Stufe sehen Kreative in Ordnung einen Sinn und umgekehrt Ordnungshüter in Kreativität einen Gewinn.

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Wissenschaftfreiheit

Die Zeitschrift Forschung und Lehre (4,2011) geht auf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit wie folgt ein: Dem Freiheitsrecht liege der Gedanke zugrunde, „dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten diene.“ Als Informatiker würde man sagen, dass die Suche nach neuen Lösungen am besten ohne Einschränkungen, auch ohne noch so „gute Absichten“, sondern völlig frei erfolge: Wenn man den Suchraum nicht einschränkt, dann können sich Lösungen ergeben, die man ohne diese Einschränkung nicht hätte finden können. Das ist kein Aufruf zur Amoralität, sondern das Ergebnis erfahrener Geschichte. Wenn Galileo Galilei den damaligen Vorstellungen von Ethik und Moralität gefolgt wäre, hätte er seinen Befreiungsweg in die wissenschaftliche Denkweise nicht gehen können.

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Any agreement protocol will become your bottleneck

In dem InfoQ-Video erklärt Amazon CTO Werner Vogels, dass
in hoch skalierbaren Systemen jede Art von Abstimmungsprotokollen irgendwann zu einem Flaschenhals werden: (15:50) „Any agreement protocol will become your bottleneck.“ 2PC ist z.B. eine solches Abstimmungsprotokoll und hat bereits den Spitznamen Nichterreichbarkeitsprotokoll („Unavailability protocol“). Irgendwann in der Skalierung, schon bei kleinen Shops, wird es die Ursache für die schlechte Erreichbarkeit sein. Die Lösung liegt nicht darin, mehr Hardware zu kaufen, sondern die Gesamtaufgabe zu analysieren: Wo benötige ich wirklich Transaktionen? Wo kommt es wirklich auf Sicherheit an? Wo kann ich auf Transaktionen verzichten? Ist ein anderes Design der Serviceleistung denkbar und machbar, das genauso attraktiv, aber nicht so schwerfällig ist?

Das CAP-Theorem wird dann im Video bei (36:45) erklärt: Von den 3 Werten C, A und P kann man immer nur 2 haben. Ab (46:17) wird erklärt, bei welchen Systemen welche 2-er Kombis von C, A und P bei welchen Aufgabenstellungen gewählt werden. Requirements Engineering, welches das CAP-Theorem nicht beachtet, muss spätestens bei der Skalierung der Systeme scheitern. Das geschieht häufig erst sehr spät im Projektverlauf. Nun haben wir eine gute Erklärung, warum so viele große Systeme erst in späten Projektphasen gescheitert sind.

D.h. man gibt in skalierbaren, hoch-verfügbaren Systemen die Garantie der absoluten Korrektheit auf. Was wir also sehen, kann schon veraltet sein oder aus anderen Gründen nicht mehr stimmen. Das sollte natürlich nur an den Stellen passieren, an denen man sich das leisten kann.

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Qualitätsentwicklung

In dem Webauftritt von Prof. Binner habe ich folgende Charakterisierung des Qualitätsauftrags gefunden: „Das Ziel ist die erfolgreiche, nachhaltige, praxisnahe und professionelle Kompetenz- und Know-how-Vermittlung von Strategien, Methoden, Modellen und Konzepten zur effizienten, effektiven, flexiblen und individuellen:

  • Qualifizierung von Menschen,
  • Verbesserung von Prozessen,
  • Weiterentwicklung von Organisationen und
  • Implementierung eines Wissensspeichers.“

Damit zeigt sich der Zusammenhang von Qualitätsentwicklung zur Personal-, Prozess-, Organisations- und Wissensentwicklung. Was hier ein bisschen zu kurz kommt, ist ein Punkt, den ich noch hinzufügen möchte:

  • IT-Entwicklung

Erst in dieser Breite und umfassenden Sicht macht Qualitätsentwicklung Sinn. Aber dann kommt der Manager und will Qualitätsmanagement daraus machen. Dann müssen Kennzahlen her, denn wie soll man sonst wissen, ob man sich zum Besseren verändert. Am Besten nur eine Kennzahl! Und die muss optimiert werden. Management braucht Einfachheit. Wie sonst sollte man QM bei so vielen betroffenen Menschen durchsetzen?

Gunter Dueck schreibt dazu in seiner Kolumne im Informatik-Spektrum (34) 2-2011 unter der Überschrift „Neurotisierende Optimierung“: „Konzepte mit einer so einseitigen Ausrichtung sind generell bei Neurotikern zu beobachten.“ Damit weist er deutlich auf den Unterschied zwischen Einfachheit und Einseitigkeit.

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CAP-Theorem

CAP steht für Consistency, Availability, Partition tolerance, also Konsistenz, Verfügbarkeit und Partitionstoleranz. Es begann mit einer Vermutung von Eric Brewer im Jahre 2000. Zu einem Theorem wurde es erst 2002 durch den Beweis der Vermutung durch Gilbert und Lynch. Das Theorem besagt, dass man nicht alle drei gleichzeitig haben kann, also C, A und P.

Das hat Konsequenzen für moderne Anwendungen, die immer stärker ins Web gehen. Bei hoch-skalierbaren Webanwendungen müssen wir uns entscheiden zwischen Daten-Konsistenz und hoher Verfügbarkeit. Beides ist nicht in gleichem Maße zu maximieren. Also machen wir entweder eine transaktionsorientierte Konten-Verwaltung, bei der der Kunde auch schon mal ab und zu warten muss, bis er dran ist, oder eine Web 2.0-Anwendung, in der immer alle gleichzeitig bedient werden, allerdings ohne die Garantie, dass alle das Gleiche auf dem letzten Stand, d.h. das aktuell Richtige sehen.

Noch abstrakter gesprochen, müssen wir uns entscheiden zwischen Sicherheit und Lebendigkeit. Wollen wir die Sicherheit einer Konten-Verwaltung einer Bank oder die Lebendigkeit einer Web 2.0-Anwendung?

Amazon sagt, ein Zehntel Sekunde zusätzliche Verzögerung auf ihrer Webseite koste sie 1% Umsatz. Google hat festgestellt, eine zusätzliche halbe Sekunde Wartezeit koste sie ein Fünftel der Kundschaft.

Pure Wirtschaftlichkeitsargumente führen daher zu einer Bevorzugung der Lebendigkeit einer Web 2.0-Anwendung. Ausreichende Sicherheit bekomme man dann auch noch durch kluges Design (Ajax, Interaktionsstruktur, Navigationsstruktur, …) hin, so Julian Browne.

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Selbstbestätigungsvorliebe

In seinem Artikel „Learning from Noise“ beschreibt Kollege Martin E. Müller an einem Beispiel sehr schön die Selbstbestätigungsvorliebe (Bestätigungsfehler oder confirmation bias), die uns härter arbeiten lässt, wenn es nicht funktioniert, anstatt das Nicht-Funktionieren zu verstehen, die Wurzel-Ursache zu ergründen und zu beseitigen – oder gar die Unmöglichkeit des Unterfangens zu durchschauen: Aus Rauschen kann man kein Signal extrahieren. Das ist schlichtweg unmöglich.

Aber wann liegt es am Rauschen und wann an meiner ungenügenden Wahrnehmung oder Untersuchungsmethode? Begriffssysteme wirken wie Linsensysteme. Tauscht man sie aus, werden unterschiedliche Dinge scharf gestellt und damit wahrnehmbar. Was sich bei dem einem System als Rauschen oder Nebel darstellt, erscheint bei dem anderen System klar und deutlich umrissen als Signal oder Objekt. Niklas Luhmann weist deutlich auf die Ubiquität dieses Phänomens hin, indem er erklärt: „Was ist Gesellschaft? Gesellschaft ist ein Codex von Regeln zur Wahrnehmungsreduktion.“ Das ist keine Ideologie oder gar ein Vorwurf an die Gesellschaft, sondern eine simple systemische Tatsache: Endliche Systeme mit endlichen Ressourcen brauchen Reduktion. Gleichzeitig erzeugt dies Selbstbestätigungsvorliebe, Einseitigkeit und Blindheit.

Kaum eine andere Wissenschaft hat sich wie die Informatik mit der Unmöglichkeit beschäftigt: Nicht-Berechenbarkeit, Unentscheidbarkeit, NP-Vollständigkeit, Informationstheorie, usw.  Es gibt Grenzen. Grenzen des Denkens. Grenzen der Machbarkeit. Wissenschaft wird meistens verstanden, über Grenzen hinaus zu gehen. Informatik deutet auch auf die andere Seite der Medaille: Es gibt auch absolute Grenzen, über die weder Wissenschaft noch härtere Arbeit hinaus führen.

Die Selbstbestätigungsvorliebe kommt vielfach im Alltag vor: Wenn wir uns impulsiv aus dem Bauch heraus entschieden haben, schauen wir einseitig auf die Dinge und sehen nur noch das, was unsere Vorlieben und unsere Entscheidung bestätigt. Wir schauen nicht mehr unvoreingenommen auf die Sachlage. Das macht uns einseitig und blind. Blind für das, was unsere Entscheidung in Frage stellt. Und blind für die Wurzeln des Impulses, aus dem die Entscheidung entsprungen ist.

 

 

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Zukunft des Lernens

Die Uni Frankfurt bietet 2011 den OpenCourse „Zukunft des Lernens“ mit folgenden Worten an:

Ein OpenCourse ist vernetztes Lernen. Die Infrastruktur des OpenCourses ist offen und dezentral. Wir als Gastgeber bieten einen Anlaufpunkt und eine Agenda im Netz, organisieren Live-Sessions mit Experten und fassen Beiträge, Kommentare und Diskussionen zusammen. Sie als Teilnehmer lesen, kommentieren, stellen Fragen, diskutieren, „spinnen“ Ideen weiter. Sie tun das dort, wo Sie zu Hause sind: Ihr eigener Blog? Ein Facebook-Profil oder ein Twitter-Kanal? Wunderbar! Ansonsten ist ein OpenCourse die ideale Gelegenheit, sich mit diesen Werkzeugen vertraut zu machen. „Tags“ und RSS-Feeds sorgen dafür, dass keine Beiträge im Netz „verloren“ gehen.

Der OpenCourse ist offen! Jede/r kann teilnehmen!

Das ist kein Kurs, auch kein Online-Kurs, sondern ein MOOC:

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Gute Lehre

Die neue HRK-BroschüreGute Lehre“ ist heraus gekommen. Sie beginnt mit den Worten:

Mitdenken

Eine der Voraussetzungen für gute Lehre: Bestehendes hinterfragen und neue Wege suchen. Manche vermeintlich kleine Veränderungen haben das Zeug zu richtungsweisenden Innovationen.

Was ist hier nun gemeint? Lehren oder Lernen? Oder könnte es vielleicht sein, dass die besten Lehrenden diejenigen sind, die selber noch lernfähig bleiben?

 

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