Wettbewerb "Innovative Studieneingangsphase" gewonnen

Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und vier weitere Hochschulen sind die Sieger im Wettbewerb „Innovative Studieneingangsphase“ von Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung, um neuen Studierenden den Einstieg ins Studium zu erleichtern und damit den Studienerfolg zu erhöhen, siehe Pressemitteilung des Stifterverbandes.

Insgesamt hatten sich 110 Hochschulen an der Ausschreibung von Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung beteiligt, 45 Universitäten, 61 Fachhochschulen und vier Kunst- und Musikhochschulen. 12 Hochschulen (7 Unis und 5 FHs) erreichten das Finale und durften ihre Konzepte bei einer Auswahlveranstaltung in Berlin vorstellen. Das folgende Bild zeigt die 12 Finalisten:

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Drei Vertreter jeder Hochschule durften in einer öffentlichen Sitzung das eigene Konzept 20 Minuten präsentieren und 20 Minuten vor einer hochkarätigen Jury und vielen Hochschulvertretern verteidigen und diskutieren. Von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg waren dies die Studentin der Elektrotechnik Lilian Degen, der Professor für Elektrotechnik Herr Prof. Dr. Jürgen Apfelbeck und als Vizepräsident für Lehre, Studium und Weiterbildung meine Wenigkeit. Das Konzept der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zielt auf einen zweigleisigen Einstieg in ein Vorsemester für Studierende mit erhöhtem Förderbedarf, der entweder schon vor dem Studium klar ist oder sich erst während des ersten Semesters zeigt. In beiden Fällen werden Zusatzmodule sowohl für fachliche als auch für persönliche Förderung angeboten. Damit wird das Bologna-Modell der Modularisierung in Richtung Flexibilisierung, Zielgruppenorientierung und Individualisierung konsequent weiterentwickelt. Motto: „Module ja, aber bitte nicht so starr und nicht für alle gleich!“ Besonders in der Studieneingangsphase ist dieses Konzept für die zunehmend heterogene Studierendenschaft ein entscheidender Gewinn.

In Berlin wurden am 4. und 5. Juni 2014 zwei Universitäten und drei Fachhochschulen ausgezeichnet. Stimmberechtigt waren Jury und Publikum mit zwei getrennten Voten. Interessanterweise kamen sowohl Jury als auch Publikum zu dem gleichen Ergebnis.

Wir freuen uns auf das Projekt, das bereits Juli 2014 startet.

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Musik-Komposition als Cloud Service

Für Musik-Komposition findet man bereits auch einige Webseiten, die algorithmische Komposition direkt als Download anbieten. Eine Übersicht gibt es bei Wikipedia.

Beispiel als Japan:

AutoComposer

siehe www.mu-tech.co.jp

Music Category

Music Style

Melody Instrument
Key
Scale



Der Server muss ein wenig nachdenken (ca. 10 sec), dann erscheint die Ergebnis-Seite mit einem Link auf ein Midifile („1.mid“ o.ä.) zum Download. Das kann z.B. von GarageBand direkt ausgeführt werden.

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Meta-Forschung

Wissenschaftstheorie ist eine Art Meta-Forschung, also die Forschung über Forschung.

Man sprach lange Zeit von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung (FuE), engl. research & development (R&D), ohne die Begriffe zu hinterfragen. Der nicht-reflektierende Wissenschaftler glaubt dabei naiv an die Unterscheidung

  • Forschung diene der „Wahrheitsfindung“, dem Erkenntnisgewinn
  • Entwicklung diene der Anwendung der gefundenen Erkenntnisse

Im letzten Jahrzehnt scheint die Reflexion und Methodendiskussion wieder neu entbrannt zu sein. Besonders im Fokus der Diskussion steht dabei, dass Wissenschaft nicht „die Wahrheit“ findet, sondern nur Erklärungsmodelle, die per se immer Reduktionen sein müssen. Keine „Weltformel“ wird die Realität jemals umfassend beschreiben können. Forschung findet nicht nur das, was vorher schon da war, sondern konstruiert auch Realität. Dieser konstruktive Aspekt ist nicht der Entwicklung vorbehalten. Mit der Aktivität des Forschers verändert dieser auch das Beforschte. Er kann gar nicht anders als mit zu konstruieren. Dazu muss man nicht erst die Heisenbergsche Unschärferelation bemühen: Dem Bemühen der Wissenschaftler um „saubere Forschung“ durch Ausklammerung allen Subjektivens sind Grenzen gesetzt. Alles ist miteinander vernetzt und der Forscher steht letztendlich nicht außerhalb. Die Blase der Illusion der Objektivität der Wissenschaft scheint zu platzen.

Was ist überhaupt Forschung (Research)? Lange Zeit wurde nur zwischen empirischer Forschung und Theorieentwicklung unterschieden. Z.B. gibt es die theoretischen Physiker und die Empiriker. Die einen entwickeln eine neue Theorie, die anderen überprüfen diese an Beobachtungen im Feld oder im Labor mittels Experimenten.

Was aber sollen diese Begriffe in der Informatik, in den Informationssystemwissenschaften (information system research), im E-Learning, in der Bildungsforschung, in den Sozialwissenschaften, in der Kybernetik bedeuten? Diese neueren Wissenschaften sind eben doch anders als Physik.

Der Begriff bekommt in den letzten Jahrzehnten neue Deutungen und wird erweitert, siehe

Allein daran, dass es zu den englischen Wikipedia-Seiten noch keine passenden deutschen Seiten gibt, kann man schon erkennen, dass die Diskussion im deutschsprachigen Raum noch nicht so richtig angekommen ist.

Prof. Gabi Reinmann schreibt in ihrem Blog viel über Design-based Research (DBR) oder entwicklungsorientierte Bildungsforschung. In der Podiumsdiskussion „Methoden der E-Learning-Forschung: Pro und Contra von experimentellen und Design-Based-Ansätzen“ werden empirische und Design-basierte Ansätze gegenüber gestellt.

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Angst vor Google

Zur Zeit gibt es eine interessante Diskussion auf „faz.net“ über die Angst vor Google:

  • Robert M. Maier, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Visual Meta GmbH und einer der Beschwerdeführer bei der EU-Kartelluntersuchung gegen Google, begann mit dem Artikel „Angst vor Google“.
  • Darauf antwortete Google-Verwaltungsratschef Eric Schmidt mit „Die Chancen des Wachstums„.
  • Als Antwort auf Eric Schmidt äußerte sich Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE, mit dem offenen Brief an Eric Schmidt „Warum wir Google fürchten„. Der Axel Springer Verlag ist Herausgeber der Bild-Zeitung, deren meinungsmachende Marktmacht lange Zeit kritisch gesehen wurde. Gegen Google ist Axel Springer aber nur noch ein kleiner Fisch: „Mit vierzehn Milliarden Jahresgewinn macht Google etwa zwanzigmal so viel Profit wie Axel Springer.“ Und Google könne viel leichter, viel umfassender und viel wirksamer Meinungen und Märkte lenken: „Wenn Google einen Algorithmus ändert, bricht bei einem unserer Tochterunternehmen in wenigen Tagen der Traffic um 70 Prozent ein.“
  • Weitere Reaktionen folgten.

Hintergrund ist ein laufendes Kartellrechtsverfahren der EU gegen Google, siehe „Kartellrecht: Kommission erzielt von Google vergleichbare Anzeige konkurrierender spezialisierter Suchdienste, European Commission – IP/14/116 05/02/2014„. Vor der Europawahl wird befürchtet, dass die jetzige Kommission unerledigte Fälle hinterlassen könnte.

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Turing Test in der Musik bestanden

In seinem Blog-Beitrag „Triumph der Cyborg-Komponisten“ fragt Ryan Blistein, warum Menschen böse werden, wenn sie erleben, wie Prof. David Copes Software schöne, originelle Musik generiert. Dies macht David Cope an der Universität Santa Cruz mit der eigenen Software EMI („Experiments in Musical Intelligence“), liebevoll auch Emmy genannt. Emmy hat Tausende von neuen Musikstücken im Stil von Beethoven und anderen Klassikern komponiert mit einer enormen Qualität, so dass selbst Musikgelehrte nicht mit Sicherheit sagen können, ob es sich um ein Original Beethoven oder um eine Computer-Generierung handele. Damit hat Emmy den Turing-Test bestanden.

Aufgrund der vielen Anfeindungen gegen das Nachmachen der Klassiker hat David Cope schließlich EMI gelöscht und einen neuen Generator für neue, innovative, einzigartige Musik programmiert und dem Programm den Namen „Emily Howell“ gegeben. Die generierte Musik kann man auch kaufen. Ein Kostprobe folgt:

Click here to listen without Quicktime

Für Cope sind die Anfeindungen nichts anderes als Rassismus, wenn andere als menschliche Intelligenz nicht akzeptiert wird. Andererseits ist es Romantisierung, wenn Musik von Menschen wie Bach immer Originalität unterstellt wird: Auch Bach hat fremdes Material kopiert oder benutzt.

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Was den menschlichen Genius ausmacht sind nicht alleine Regeln, sondern auch das Brechen von Regeln. Aber auch das kann man Computern beibringen, allerdings mit der Konsequenz, dass sich die Musik etwas erratisch anhört. Dann fehlt noch die übergreifende Logik oder ein roter Faden hinter allem. Um das zu formalisieren, braucht man höhere, übergreifende Strukturen, die David Cope in einer Art Grammatik der musikalischen Erzählung, der Spannungssteigerung und -lösung, gefunden hat. Damit waren schließlich Kompositionen möglich, die auch Fachleute nicht mehr vom menschlichen Original unterscheiden konnten. Nur hat das Computerprogramm entscheidende Vorteile gegenüber Menschen: Als David Cope eines Nachmittags sein Büro verließ, um sich einen Sandwich zu holen, hatte sein Programm Emmy in der Zwischenzeit 5000 wundervolle Bach-Choräle berechnet, die sonst viele Menschenleben erfordert hätten.

Mittlerweile ist Cope bei der Ansicht angelangt, dass Menschen durch ihre Vorurteile, Fixierungen und Beschränkungen weniger kreativ sind als Computer es sein können: Maschinen können kreativer sein als Menschen.

Zitate von Cope: „Wir Menschen sind so verdammt voreingenommen, sogar diejenigen, die ihr ganzes Leben versuchen, keine Vorurteile zu haben.“ „Menschen sind roboterhafter als Maschinen.“ „Die Frage ist nicht, ob Maschinen, sondern ob Menschen eine Seele haben.“

Um Schnelligkeit geht es Cope in seiner Arbeit heute: Eine musikalische Idee, die er zufällig im Bad hatte, will er in 10 Minuten in eine vollkommene Partitur umgesetzt sehen. Dies geschieht mit neuen Interaktionsformen, bei denen sich Mensch und Maschine bestens ergänzen.

Gunter Dueck hat einmal erzählt, dass er im Schlaf manchmal bahnbrechende Erfindungen macht oder Erkenntnisse gewinnt, die nach dem Aufwachen nur noch vage vorhanden sind und die dann im Tagesgeschäft untergehen. Auch hier spielt Schnelligkeit und Leichtigkeit in der Umsetzung eine Rolle. Und dabei kann uns Technologie sehr helfen. Es geht nicht mehr um einen Kampf Mensch gegen Maschine, sondern um sinnvolle und nützliche Symbiosen.

Musik-Komposition wird heute von vielen Apps unterstützt, z.B. NodeBeat. iPad entwickelt sich zu der Plattform der Wahl für Musik-Apps und hat mehr zu bieten als z.B. Mac OS X. Musik-Komposition ist mittlerweile auch in der Cloud angekommen, siehe Pandora und den Melodie-Generator.

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Gantt-Diagramme in Excel

„Gantt-Diagramme sind perfekt, wenn es darum geht, auf einen Blick die zeitliche Abfolge von Aufgaben in einem Projekt zu sehen. Excel bietet zwar den Diagrammtyp nicht, aber dieser Mangel lässt sich beheben. Hier die Anleitung wie aus den Daten für Start und Dauer ein Gantt-Diagramm wird.“ Zitat Axel Becker, siehe Video-Tutorial:

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Reduktionismus als Prinzip der Disziplinarität

Reduktionismus ist ein Prinzip der Disziplinarität.

Betriebswirtschaftliches Denken ist ein Reduktionismus.
Es ist nur die mikroökonomische Perspektive.
Dabei fehlt die makroökonomische Perspektive,
also volkswirtschaftliche Sicht- und Denkweise.

Wirtschaftliches Denken ist ein Reduktionismus.
Wenn man nur an das ökonomische Wohl denkt,
nur Umsatz oder Gewinne optimieren will,
fehlen andere wichtige Aspekte.

Informatik ist ein Reduktionismus.
Es stellt im Begriff bereits die Information in den Mittelpunkt des Interesses.
Dabei fehlen in dieser Sichtweise Prozesse, die Informationen verarbeiten
und alleine für sich eine Dynamik bewirken können,
die nicht auf Informationen zurückzuführen ist.
Kybernetik hatte sich daher als Gegenentwurf zum Informationszentrismus
als wissenschaftliche Disziplin aufgestellt,
ist jedoch leider im ideologischen Sumpf stecken geblieben.

Der Begriff des Computers ist ein Reduktionismus.
Würden wir unser Handy wirklich als Computer bezeichnen?
Mittlerweile gibt es Smartwatch, Smartphone, Tablet,
Internet der Dinge, Intelligente Kleidung, Intelligente Möbel,
ein Computer steckt im Herzschrittmacher mitten im Herzen des Menschen
und es ist kein Ende der Innovation in Sicht.
„Der Computer“ ist kein Gegenüber mehr,
sondern verschmilzt zunehmend mit der Lebenswelt.

Die ISO Norm 9241 enthält Richtlinien für Interaktion „zwischen“ Mensch und Computer.
Da wird in einer Norm ein Weltbild festgezurrt,
dass der Computer ein Gegenüber des Menschen sei.
Ein Reduktionismus wird normiert und zum Standard erhoben.

Die Sicht- und Denkweise einer Disziplin basiert auf einem Reduktionismus.
Interdisziplinarität soll helfen.
Es geht jedoch nicht mehr nur um Interdisziplinarität.
Interdisziplinarität ist nur ein Mittel zum Zweck.
Der Zweck ist die Überwindung der reduktionistischen Sicht- und Denkweise.

Reduktionismus als Prinzip der Disziplinarität ist zu überwinden.

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Haltung als Bildungsursache oder Bildungsblockade

In dem Video „Teaching Growth Mindset“ erläutert die Stanford-Professorin Carol Dweck die Bedeutung der Haltung für den Lernfortschritt:

Haltung (engl. mindset) wird zu wenig beachtet als Motor oder Blockierer des Lernfortschritts.

Eine falsche Lernhaltung kann zu folgenden Problemen führen:

  • Angst, Fehler zu machen
  • Zögern bei Herausforderungen
  • Angst, dass alle Mühe umsonst ist
  • Angst vor Rückschlägen
  • Angst davor, sich dumm anzustellen und sich dadurch lächerlich zu machen („uncool“ zu erscheinen)

Wie viele Strukturen, Prozesse, Maßnahmen und Bewertungskriterien unserer Bildungseinrichtungen fördern genau diese falsche Lernhaltung?

  • schlechte Noten für Fehler und andere Bestrafungen von Fehlern
  • Sicherheit wichtiger nehmen als Herausforderungen
  • Rückschläge negativ bewerten
  • immer perfekt („cool„) sein wollen
  • die besten Leistungen auf Knopfdruck abrufen können

Die Redensart und das Ideal, seine Leistung auf Knopfdruck abrufen zu können, deutet auf den Perfektionswahn und die Idealisierung des Maschinenhaften.

In der Informatik hat Kent Beck mit seiner „Extreme Programming„-Methodik eine Revolution ausgelöst: Zuerst werden Fehler provoziert und analysiert, bevor Lösungen entwickelt werden. Lösungsentwicklungen auf Vorrat sind verboten. Es wird keine Lösungsentwicklung toleriert ohne einen entsprechenden Fehler. Lösungsentwicklungen auf Vorrat sind lediglich Symptom des spekulierenden Verstandes, dem man begegnet mit dem YAGNI-Prinzip: „Du wirst es niemals brauchen.“ (“You Ain’t Gonna Need It.”)

Genau das ist das Gefühl vieler Schüler im Klassenzimmer: „Ich werde das niemals brauchen – warum sollte ich mir Mühe geben?“

Die Philosophie von Kent Beck hätte das Zeug dazu, auch eine Revolution in der Pädagogik auszulösen: „Extreme Pädagogik“

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Fremdeln mit Innovationen

Gunter Dueck kommt in seinem Buch „Das Neue und seine Feinde“ zu dem Schluss, dass Innovation viele Feinde hat und bekämpft wird. Das ist offensichtlich eine Überspitzung, denn die meisten Menschen nehmen die Annehmlichkeiten der Innovationen gerne an (bis auf Minderheiten, z.B. Amish). Die Beziehung der Gesellschaft zur Innovation ist jedoch subtiler: Sie ist nicht von Feindschaft, sondern von Unbewusstheit, Unkenntnis und einer Art „Fremdeln“ geprägt. Dies gilt besonders für das Digitale, Virtuelle, Computerunterstützte, „Cloudige„, Glasfaservernetzte, Globale, Virtuelle, Unfassbare…

Das Unverständnis beginnt mit falschen oder irreführenden Begriffen. Die Informatik ist voll von falschen oder irreführenden Begriffen. Viele Informatiktexte sind für Sprachwissenschaftler und Philosophen ein furchtbares Kauderwelsch voll mit Verwechslungen, Kategorienfehlern, mangelnder begrifflicher Trennschärfe, ja noch nicht einmal die Wahl der Sprache selbst ist eindeutig: Meist handelt es sich um „Denglisch“, einer unsystematischen Mischung aus Deutsch und Englisch, die sich leider auch nicht abstellen lässt: Das Innovationstempo ist mittlerweile so hoch, dass die Prägung und gesellschaftliche Verbreitung deutscher Übersetzungen nicht mehr Schritt halten kann. Innovation ist global geworden.

Meist werden die Inhalte des Digitalen als „virtuell“ bezeichnet, um sie zu dem „Realen“ der physischen Welt abzugrenzen, so als ob sie nichts Reales hätten. Das ist irreführend, denn die Inhalte des Digitalen sind genauso real oder virtuell wie Gedanken, Abstraktionen, Glaubenssätze, Menschenbild, Weltbild oder Geld.

Es gibt Facebook-User mit Tausenden Facebook-„Freunden“, aber niemand hat in der physischen Welt Tausende von Freunden. Mit diesem Argument wird gegen Facebook polemisiert, anstatt die Begriffe zu hinterfragen: Vielleicht ist mit Facebook-„Freunden“ etwas anderes gemeint als mit „Freundschaft“ in der physischen Welt? Vielleicht entstehen hier neue soziale Phänomene, die nur zufällig mit den gleichen Begriffen belegt wurden, weil wir noch keine besseren haben? Warum sollte das Digitale das Physische originalgetreu abbilden wollen, anstatt etwas ganz Neues zu kreieren?

In seinem Buch „Das halbwegs Soziale“ kritisiert Geert Lovink grundsätzlich die Innovation der sozialen Netzwerke im Web 2.0 und hinterfragt, ob sie das Prädikat „sozial“ überhaupt verdienen. Wenn man den Begriff „sozial“ in herkömmlichen Sinne meint, sicher nicht. Weil sich aber die sozialen Netzwerke „sozial“ nennen, lädt das zum Polemisieren gegen sie ein, anstatt der langsam entstehenden digitalen Gesellschaft (siehe BMBF-„Wissenschaftsjahr 2014 – Die digitale Gesellschaft„) zu erlauben, neue Formen des Sozialen zu entwickeln. Die Sozialwissenschaften hängen noch der Illusion an, dafür theoretische Grundlagen einer „reflexiven Modernisierung“ entwickeln zu können (siehe „Neue Formen sozialwissenschaftlicher Wissensproduktion„). Leider fehlt ihnen häufig das technologische Basiswissen und Visionen innovativer Einsatzszenarien: Sie wissen nicht und können sich nicht vorstellen, was sonst noch alles machbar ist. Die gesellschaftlichen Veränderungen sind so tiefgreifend, dass sie an fast allen „Ordnungsmodellen des Sozialen“ nagen (ebd). Der durch Technologie induzierte gesellschaftliche Umbruch erfordert auch eine Neuorientierung der Wissenschaften. Gunter Dueck sieht in Unternehmen ein „Immunsystem, das jede neue Idee zunächst wie eine Störung behandelt.“ Das gilt für alle Systeme, auch für das Wissenschaftssystem, siehe z.B. Dan Shechtman und mein Blog-Eintrag „Lernen als Fixieren und Lösen“.

„Die Gedanken sind frei“ sagt der Volksmund. Diese Sichtweise vergisst die Realität der Gedanken, die sich spätestens im induzierten Handeln und dessen Konsequenzen zeigen.

Wie virtuell ist eigentlich Traum? Im Traum werden vom Körper auch Hormone ausgeschüttet, so dass Traum durchaus eine physische Komponente hat. Auch Träume können Handeln induzieren und haben daher auch eine Realität.

Dabei hat die Gesellschaft durchaus schon Erfahrung mit „Virtualisierung“, ja sie kann sogar auf jahrtausendealte Erfahrung zurückschauen: Geld ist eine Virtualisierung von Handelswerten, spätestens seit es Papiergeld gab. Der gesellschaftliche Prozess seiner Einführung dauerte Jahrhunderte mit vielen Errungenschaften und Katastrophen. Heute „fremdelt“ die Mehrheit der Gesellschaft nicht mehr mit Geld: Seine Virtualität wird gar nicht mehr wahrgenommen. Im Gegenteil: Für Unternehmer, Manager, Betriebswirte und Volkswirte sind Finanzen zum Inbegriff der Realität geworden. Daran wird gemessen, wie gesund ein Unternehmen, eine Organisation oder gesellschaftliche Gruppen sind: „Realität ist, was am Ende auf dem Konto liegt.“, obwohl es sich nur um Bits und Bytes im Computer der Bank handelt.

Früher war Innovation ein jahrhundertelanger Prozess. Heute überschlagen sich viele parallele Innovationen, so dass kein Mensch mehr imstande ist, auf allen Gebieten auch nur die wichtigsten Innovationen zu kennen, die man in unserer Gesellschaft kennen muss, um an ihr angemessen teilhaben zu können. Es gibt zu viele parallele Innovationen, die ein gesellschaftlichen Ausmaß haben. Für diese neue entstandene massive Innovationsparallelität gesellschaftlichen Ausmaßes haben wir weder Erfahrungen noch Theorie. Nicht einmal passende Vokabeln stehen uns zur Verfügung.

Das liegt auch am rekursiven Wesen der Informatik als Wissenschaft der Abstraktion und des Automatisierens. Man kann mit ihr schlicht alles abstrahieren und automatisieren, auch Innovation, auch Vergesellschaftlichung von Innovation, auch Innovationsautomatisierung und Innovationsautomatisierungsinnovation, … ad infinitum. Der letzte Schritt der Informatik zur Erleichterung der Innovation war der Schritt in die Cloud: Jetzt kann im Prinzip jeder Mensch mit einer cleveren Idee die Gesellschaft verändern, ohne selbst dafür eine eigene globale Infrastruktur aufbauen zu müssen. Das Schwere der Industrialisierung ist endgültig überwunden. Es lebe die Leichtigkeit.

Stephen Hawking sieht daher eine Singularität auf die Menschheit zukommen, die die Gesellschaft und jeden einzelnen Menschen destabilisiert: Man tritt eines Tages aus seinem Haus, versteht die Welt nicht mehr und kann an ihr nicht mehr aktiv teilhaben, weil die Gesellschaft scheinbar plötzlich neue Technologien benutzt und sich dabei auf neue Normen und Regeln festgelegt hat, ohne dass man den Prozess seiner Einführung bewusst miterlebt hätte. Alle leben danach und man selbst hat es nicht mitbekommen. Man fühlt sich fremd in dieser „Realität“.

Man glaubt, die Welt nicht mehr zu verstehen. Dieser Effekt tritt immer früher ein: Die Leute, die sich mit dem Slogan „Das ist nicht mehr meine Welt!“ von einer aktiven Teilhabe an unserer Gesellschaft verabschieden, werden immer jünger. Das Eintrittsalter für Innovationsabwehr oder -fremdeln sinkt rapide. Dieser gesellschaftliche Effekt verstärkt demographische Veränderungen, so dass eine Gesellschaft schneller zu altern scheint, als die Zahlen hergeben.

„Goodbye, Lenin!“ ist ein Film, der diesen Innovationsschock anhand einer Mutter erzählt, die vor der Wende ins Koma fiel und nach der Wende wieder aufwacht. Dazwischen lag ein ganzes Jahr. Der Film ist gut erzählt, gehört zu den 3 besten DDR-Filmen und lässt gut nachempfinden, wie sich ein Innovationsschock anfühlt.

Vielleicht ist es auch ein Innovationsschock für Bürger der ehemaligen DDR, dass in diesem Blog ein „Prof. Kaul“ schreibt. Unter „Prof. Kaul“ kannten sie bis zur Wende Prof. Dr. Friedrich Karl Kaul (*21. Februar 1906 in Posen; †16. April 1981 in Ost-Berlin, bekannt aus der DDR-Fernsehserie „Fragen Sie Prof. Kaul“), ein deutscher Jurist, Hochschullehrer, Schriftsteller und Chefideologe der DDR, siehe Wikipedia. Mit ihm ist der Autor dieses Blogs weder verwandt noch verschwägert noch ideologisch verbunden, sondern hat erst über Google von ihm erfahren.

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Lernen als Fixieren und Lösen

Lernen wird zu häufig als (1.) Fixieren und (2.) zu selten als Lösen verstanden.

(1.) Lernen wird zu häufig als Auftrag zur Fixierung verstanden:
Begriffe und Verstehensstrukturen werden gelernt,
d.h. im eigenen Denkraum reproduzierbar fixiert.
Prüfung ist dann der Test, ob erfolgreich fixiert wurde.
Methoden werden antrainiert und als Gewohnheit fixiert,
um sie in der Prüfung fehlerlos reproduzieren zu können.
Das Lernen wissenschaftlichen Arbeitens ist in dieser Denke
in erster Linie die Disziplin der Einhaltung von fixierten Regeln,
die Fixierung auf richtiges Zitieren und Einhalten von fixierten Formalia.

(2.) Lernen wird zu selten als Lösen verstanden,
d.h. Lösen von alten Verhaltensmustern, Gewohnheiten,
Methoden, Selbstverständnis, Selbstbild, Weltbild und sonstigen Vorurteilen.
Das Lernen wissenschaftlichen Arbeitens
bedeutet auch Lösen von Alltagssprache und -verhalten mit ihrer
Mehrdeutigkeit, Emotionalität, Vorurteile, Voreingenommenheit, Polemik
und Andeutungen zwischen den Zeilen.
Um wissenschaftliche Texte schreiben zu können,
muss man sich davon lösen und lernen,
neutral, ehrlich, vorurteilsfrei, sachlich,
eindeutig und konsistent zu bleiben.
Ferner ist Vollständigkeit anzustreben,
also alles zu explizieren, was ausgesagt werden soll,
alles in Begriffe, Thesen und Sätze zu gießen,
was gesagt werden kann.

Genügend große Systeme haben Fixierungen.
Diese Fixierungen können gewollt
und Grundlage sein für alles was darauf aufbaut.
Sie können aber auch ungewollt, unbewusst existieren
als Haltung, Selbstbild, Weltbild, Gewohnheit, Methode, …

Wissenschaftliche Sozialisation heißt
ein Teil der wissenschaftlichen Community zu werden,
d.h. ihr Wissen und ihre Methoden,
ihr Weltbild und Selbstverständnis zu lernen,
um schließlich selber produktiv zu werden
und eigene Beiträge zu verfassen.

Die wissenschaftliche Community kann
als System aber auch selbst in Fixierungen stecken.
Dann ist es immer wieder die Leistung von Einzelgängern,
die voreingenommene Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen
vom Gegenteil zu überzeugen.
Das ist z.B. Einstein gelungen mit seiner Relativitätstheorie
oder Dan Shechtman, der Entdecker der Quasikristalle.
Beide mussten das Außenseiterdasein und
die Verhöhnung durch ihre Kollegen jahrzehntelang aushalten.
Zitat Wikipedia zu Dan Shechtman:
Diese Entdeckung wurde lange kritisiert: „Es gibt keine Quasikristalle, nur Quasi-Wissenschaftler“ sagte der 1994 verstorbene Chemie-Nobelpreisträger Linus Carl Pauling.[5] Der Leiter von Shechtmans Forschungsgruppe empfahl ihm, noch einmal die Lehrbücher zu lesen, und drängte ihn daraufhin, die Gruppe zu verlassen, um sie nicht zu blamieren.[6] Später wurden Quasikristalle auch von anderen Forschern gefunden.[7][2] Im Jahr 2011 erhielt Shechtman den mit zehn Millionen Schwedische Kronen (ca. 1,1 Millionen Euro) dotierten Chemie-Nobelpreis.[6]
Zum Thema „Verhöhnung von Einstein durch seine Zeitgenossen“
besuche man das virtuelle Museum „Albert Einstein – Ingenieur des Universums„.
In der Wissenschaftstheorie hat Thomas S. Kuhn den Begriff „Paradigmenwechsel“ geprägt.
Bekannt ist auch die „Kopernikanische Wende„,
weg von der Vorstellung, der Mensch stehe im Mittelpunkt des Universums,
die in manchen Köpfen heute immer noch nicht angekommen ist.
Fixierungen können also jede wissenschaftliche Beweisführung überdauern.
Aufklärung und Wissenschaft sind keine Garantie für die Freiheit von Fixierungen.

Auch in der noch jungen Informatik-Geschichte
gab es Paradigmenwechsel, z.B. von der Codierung zur Modellierung:
So erzählt John Guttag, der Erfinder abstrakter Datentypen (ADTs),
von seinem Promotionskolloquium, in dem sein Doktorvater ihn fragte,
wozu man ADTs denn brauchen würde: Es gäbe doch FORTRAN
mit seinen Datentypen INTEGER, FLOAT, STRING und ARRAY.
Damit könnte man doch alles machen und daher seien zusätzliche
Datentypen überflüssig.
Die Argumentation ist pseudo-korrekt,
weil es einerseits stimmt, dass sich in den primitiven Datentypen
alles codieren lässt.
(Mit der Methode der Gödelisierung wird ALLES in Integer codiert.
Dann braucht man nicht einmal String, Float oder Array…)
Andererseits hatte der Doktorvater
die Notwendigkeit höherer Abstraktionsformen
völlig unterschätzt.
Noch heute spricht man von „Codieren“ statt „Entwickeln“
für die Tätigkeit der Implementierung,
was den vollzogenen Paradigmenwechsel ignoriert,
als ob er nie stattgefunden hätte.

Um den Paradigmenwechsel gesellschaftlich zu verankern,
sollte man vielleicht die Berufsbezeichnung wechseln
von „Programmierer“ zu „Systemgestalter“.
Der wissenschaftliche Diskurs ist in vollem Gange,
siehe z.B. Methodendiskussion bei Springer.

Die Fixierungen der Informatik als recht junge Wissenschaft
sind noch nicht erforscht.
Teilbereiche der Informatik haben die Paradigmen der Mathematik übernommen,
andere die des Ingenieurwesens.
Was wissenschaftlich publiziert wird, ist nicht immer ein Gewinn für Praktiker.
Inwieweit sich Wissenschaft und Realität entfremden,
ist immer wieder auf den Prüfstand der Anwendbarkeit zu stellen
nach Einstein: „Nichts ist praktischer als eine gute Theorie.“

Was die Informatik als Wissenschaft ausmacht, ist noch nicht klar.
Neuere Versuche der Präzisierung sind „Design Science„, „Web Science„, „Science 2.0„…

Was machen Informatiker eigentlich? Sie automatisieren, entwerfen, bauen, implementieren, erforschen, messen, analysieren, kommunizieren, …

  • Automaten
  • Werkzeuge
  • Gebrauch von Werkzeugen
  • Systeme
  • Strukturen
  • Prozesse
  • Organisation
  • Gesellschaft
  • Technik
  • Digitalisierung

Immer wenn man glaubt, die Informatik als Wissenschaft erfasst zu haben, entwischt sie einem wieder, weil sie auch das Erfasste wieder automatisieren, entwerfen, bauen, erforschen, messen, analysieren, kommunizieren, … kann: Informatiker bauen nicht nur Automaten, sondern automatisieren auch den Automatenbau. Das wäre dann der Automatenbauautomat.

Leider bleibt die Informatik aber auch dabei nicht stehen. Denn sie automatisiert auch wiederum den Bau von Automatenbauautomaten. D.h. aufgrund der Selbstbezüglichkeit besteht das Potenzial, unendlich weiter zu machen. Es gibt keine Grenze.

Diese Art der Unendlichkeit macht Informatik als Wissenschaft besonders. Sie hat das Zeug, ALLES, auch Wissenschaft, auch Gesellschaft, auch Fixieren und Lösen selbst zu thematisieren und zu revolutionieren, zu verwissenschaftlichen und gesellschaftlich mit neuer Technologie und Begrifflichkeit umzusetzen.

Aus einer Fixierung kann man niemanden herausholen.
Da Fixierungen „selbstverschuldet“ sind, kann sich jeder nur selbst daraus lösen.
Das gilt für Menschen ebenso wie für Organisationen und für Gesellschaft.

(Dabei ist „selbstverschuldet“ in dem gleichen Sinne zu verstehen
wie beim Ball, der die Hand nicht verlässt, solange man sie nicht öffnet.)
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Niklas Luhmann: „Was ist Gesellschaft?
Gesellschaft ist ein Codex von Regeln zur Wahrnehmungsreduktion.“
Gesellschaft, Organisationen und Systeme sind nicht nur Reduktionen,
sondern auch Handlungsplattformen,
gewissermaßen Leitplanken für Lern-, Entwicklungs- und Lebenswege,
Ermöglicher ebenso wie Verhinderer.
Sie können die Chancen für Erkenntnis, Löseprozesse und Lösungen erhöhen,
aber leider auch verringern.

Lernende da abzuholen, wo sie gerade fixiert sind,
kann auch ein Fehler sein:
Man bestätigt und verstärkt die vorhandene Fixierung
und verhindert, dass Lernende selbst aktiv werden,
sich auf den Weg machen und sich vom alten Standpunkt lösen.

Menschen, die auf Materialismus fixiert sind,
benötigen für alle Verstehensprozesse handfeste, konkrete Beispiele.
Sie werden nicht lernen, sich davon zu lösen,
wenn man sie weiter mit Materialismus füttert.

Es gilt beides zu sehen:

  • Fixieren und Lösen
  • Lernen und Verlernen
  • Festhalten und Loslassen
  • Aufbauen und weitergehen
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